Persönliches Tagebuch von Sheerana
5. Boar - 3. Loar 348 i.J.P.
Inhaltsverzeichnis
- 1 5. Boar 348 i.J.P.
- 2 7. Boar 348 i.J.P.
- 3 8. Boar 348 i.J.P.
- 4 9. Boar 348 i.J.P.
- 5 10. Boar 348 i.J.P.
- 6 13. Boar 348 i.J.P.
- 7 14. Boar 348 i.J.P.
- 8 15. Boar 348 i.J.P.
- 9 16. Boar 348 i.J.P.
- 10 18. Boar 348 i.J.P.
- 11 19. Boar 348 i.J.P.
- 12 20. Boar 348 i.J.P.
- 13 21. Boar 348 i.J.P.
- 14 28. Boar 348 i.J.P.
- 15 29. Boar 348 i.J.P.
- 16 30. Boar 348 i.J.P.
- 17 1. Loar 348 i.J.P.
- 18 2. Loar 348 i.J.P.
- 19 3. Loar 348 i.J.P.
5. Boar 348 i.J.P.
Ich kann’s immer noch nicht glauben. Vor ein paar Tagen waren wir noch auf dem Weg zur Erdbeerplantage, und jetzt befinden wir uns mitten in einem Krieg mit den Theranern. Ich werd das Erdbeerlied wohl nie zu hören kriegen... Aber jetzt muß ich selbst erstmal überlegen, wie das alles gekommen ist...
Also, vor ein paar Tagen waren wir noch in einem kleinen Dorf mitten im Wald, als plötzlich ein Luftschiff auftauchte, von Theranern beschossen wurde und ausgerechnet neben dem Dorf abstürzte. Manchmal glaub ich, wir werden von Katastrophen verfolgt. Ich mein', das muß man sich mal vorstellen, da fliegt dieses Luftschiff meilenweit und stürzt dann ausgerechnet neben dem einzigen Dorf ab, das es in diesem riesigen Urwald gibt. Natürlich grade dann, wenn wir da sind. Und natürlich mal wieder genau zu dem Zeitpunkt, wo wir eigentlich zum Erdbeerfeld aufbrechen wollten. So langsam glaub' ich, daß irgendwer uns von dort fernhalten will (vielleicht die Theraner selber?). Möglicherweise ist dieser Krieg nur zur Ablenkung gedacht, und die wollen sich die Plantage selbst unter den Nagel reißen...! Andererseits, auf theranisch ist das Wort "Erdbeere" wahrscheinlich bloß eine Umschreibung für "dreckig und unsymmetrisch". Naja, die Wahrheit werden wir wohl nie erfahren...
Jedenfalls haben ein paar Menschen den Absturz überlebt, und es stellte sich heraus, daß sie mit einer wichtigen Botschaft auf dem Weg nach Kratas waren: Die Theraner bedrohen angeblich weite Teile des Landes, sogar Druzba, meine Heimat! Wir waren grade am überlegen, wie wir helfen könnten, als plötzlich ein weiteres Luftschiff landete. Zuerst wollten wir fliehen, da wir es für ein Schiff der Theraner hielten, aber dann stellte sich heraus, daß es dafür viel zu groß war, außerdem hatte Golgari es anscheinend erwartet. Er unterhielt sich kurz mit dem "Kapitän" des Schiffes, und sorgte dafür, daß sie uns und die Botschafter mitnahmen. Besonders wohl war uns dabei allerdings nicht, da sich die "Mannschaft" doch recht seltsam verhielt: z.B. sprach keiner von denen auch nur ein Wort, außerdem flog das Luftschiff mit einer Geschwindigkeit, die ein normales Schiff nie erreichen könnte. Es stellte sich dann auch bald heraus, daß es sich um Dämonen handelte, Bekannte von Golgari oder so (ich wunder mich da eh über nix mehr). In Kratas angekommen schmissen sie uns jedenfalls raus (im wahrsten Sinne des Wortes) und verschwanden. Da standen wir plötzlich ziemlich dumm da, denn als nächstes bemerkten wir, daß wir unsere gesamte Ausrüstung und sogar meine Tiere im Dorf zurückgelassen hatten. Und daß wir kein Luftschiff und somit in nächster Zeit wohl auch keine Möglichkeit hatten, dorthin zurückzukehren.
Ich hab immer noch ein schlechtes Gewissen. Wie konnte ich die beiden nur vergessen? Ich kann mir das nur damit erklären, daß wir von dem Luftschiff so überrascht wurden und danach alles so schnell ging, aber trotzdem... Mir als Tiermeisterin hätte sowas nie passieren dürfen, was für eine Schande!
Glücklicherweise löste sich zumindest dieses Problem von selbst, nachdem die Menschen ihre Besprechung beendet hatten; zum Dank dafür, daß wir ihnen geholfen haben, nahmen sie uns auf einem ihrer Luftschiffe mit in Richtung Travar, und der Kapitän, Bernhard von Bernring, ließ sich sogar überreden, noch einmal bei dem kleinen Walddorf Halt zu machen. Was war ich froh, als ich Tindra und Ashta wiedersah (die mir zum Glück schnell verziehen haben), aber kaum daß ich die beiden begrüßt hatte, kamen auch schon Octavia und Golgari an und meinten, wir müßten unbedingt noch nach einem Brunnen suchen, den es hier in der Gegend geben soll und in dem Golgari unbedingt sein Schwert weihen müsse. Allerdings hätten wir nur ein paar Stunden Zeit und dort würde ein Oger wohnen. Na toll! Wir machten uns also auf den Weg (schließlich kann man ja die kurzen Pausen, die es zwischendurch mal gibt, nicht zu sowas banalem verwenden wie einfach auszuruhen, zu essen oder so), hatten jedoch Glück und es gab kein Ogerproblem. Golgari weihte sein Schwert (was prima funktionierte), Octavia und ich weihten Dolch und Pfeile (was gar nicht funktionierte), und dann gingen wir ins Dorf zurück. Inzwischen waren auch die übrigen Luftschiffe angekommen, auf die wir warten mußten, und so konnten wir die Reise endlich fortsetzen (diesmal mit Tieren und Ausrüstung) und uns den restlichen Tag doch noch ausruhen.
Übrigens hab ich vor ein paar Tagen eine seltsame Botschaft bekommen:
"An die Windlingsfrau Sheerana!
Ein Mensch edler Abstammung ist dazu bestimmt, Euch zur Seite zu stehen und Euch bei Eurer Reise zu unterstützen. Hochachtungsvoll,
Roderich Ezel al Raschid"
Da glaub ich ja ehrlich gesagt nix von, obwohl ich zugeben muß, daß dieser Roderich für einen Menschen doch sehr weise ist. Naja, ich wollt’s nur mal aufschreiben, damit ich’s nicht vergesse.
Heute morgen passierte dann wieder etwas ganz seltsames: Adarian weckte uns mit der Behauptung wir wären „da“ (wo auch immer das sein soll), rannte nach oben an Deck, kam wieder und fragte, wo wir eigentlich sind. Er war sichtlich verwirrt von der Tatsache, daß wir uns auf einem Luftschiff befinden, und auch sonst schien er von den Ereignissen der letzten Tage nicht mehr viel zu wissen. Dafür faselte er etwas von einem ganz verrückten Traum, den ihm Artemis geschickt hätte (was schon komisch ist, denn die beiden kennen sich gar nicht, und wir hatten Adarian bis jetzt auch noch nix von Artemis erzählt). Er solle mich jedenfalls grüßen (wahrscheinlich will sich der dumme Stein jetzt wieder einschleimen nach der Sache mit der Kette), und dann erzählte er noch irgendwas von einer Warnung und Behemot-Schiffen und daß Travar gefallen sei. Als nächstes ging er mit der Nachricht zum Kapitän, aber der glaubte ihm wohl nicht so recht (wie unverständlich, wo Adarian doch extra darauf hingewiesen hat, daß das Ganze ein Traum war!).
Jedenfalls überlegten wir nun den ganzen Morgen, wie wir die Geschichte doch noch glaubhaft gestalten könnten, denn wir selbst waren eigentlich schon davon überzeugt, daß Adarian sich das Ganze nicht einfach ausgedacht hat (schließlich ist Artemis sowas durchaus zuzutrauen). Allerdings konnten wir uns auf nix einigen (mir persönlich hätte ja die Version am besten gefallen, in der ich als einzige Überlebende mit letzter Kraft eine Botschaft überbringe und dann abstürze. Das wäre bestimmt lustig geworden, aber die anderen fanden das zu auffällig), und letztendlich beschlossen wir, einfach abzuwarten (mal wieder).
Am Nachmittag erreichten wir dann Fallam, wo eine kurze Besprechung stattfand, mit dem Ergebnis, daß wir nun in Richtung Arcarchon weiterfliegen. In dieser Stadt soll sich ein sehr wichtiges Relikt (eine Kugel) befinden (möglicherweise handelt es sich dabei sogar um dieselbe Kugel, nach der Artemis mit der Bruderschaft des Lichts gesucht hat), das der Anführer der Theraner, ein gewisser „Principus Mortis“, in seinen Besitz bringen will. Dieses Artefakt soll dermaßen wichtig sein, daß, wenn die Theraner es tatsächlich bekommen würden, der ganze Krieg verloren wäre. Zwar ist Arcarchon selber einigermaßen gut geschützt, da es von so hohen Bergen umgeben ist, daß es nicht mit Hilfe von Behemots angegriffen werden kann, aber zwischen Fallam und Arcarchon sammeln sich angeblich gewaltige Truppen, um gegen die Stadt vorzurücken...
Auch ich war von der Nachricht, daß die Theraner inzwischen so weite Teile des Landes beabsichtigten zu erobern schockiert, besonders weil es sich hierbei auch um die Heimat von Sheerana handelte. Dies war der erste Moment, in dem ich mit Scham an meine Abstammung denken mußte. Daß die Absichten Theras von purem und skrupellosem Eroberungswahn gelenkt werden, hätte ich früher nie geglaubt. In der Schule lehrte man mich, Thera bringe Kultur zu den „weniger Zivilisierten“ und gestatte ihren Ländern die Ehre, ein Teil der theranischen Macht zu werden und von unserer Überlegenheit zu profitieren. Und da die „weniger Zivilisierten“ auch über weniger Intellekt verfügten, bräuchten sie eine strenge und überlegene Hand, die ihnen zeigt, was das beste für sie ist, und Thera sei auserwählt, diese Aufgabe gewissenhaft zu übernehmen. Ich wünschte, jene Lehrer und Schulbuchschreiber würden nur einmal den Haß der unterdrückten Völker zu spüren bekommen... Trotzdem, Sheerana, muß ich leider anmerken, daß das theranische Wort für Erdbeere nicht im geringsten mit negativen Assoziationen belegt ist und auch viele Theraner eine Schwäche für diese köstliche Frucht besitzen. Und ich kann dich beruhigen, daß das Ziel ihrer Eroberungen sicher nicht mit Erdbeeren in Verbindung steht. Eine Anmerkung noch zu dem Oger. Sein Schlafgemach ist Gold wert! Seine „Matratze“ (eher eine provisorische Strohmatte) ist vollgestopft mit kostbaren Schätzen, Gold und Silber, doch leider auch mit stinkenden Mist. Ein weiterer Besuch ist also überlegenswert, auch wenn es eine ekelhafte Angelegenheit werden könnte." - Octavia
7. Boar 348 i.J.P.
Heute sind wir auf eine Gruppe von 20 theranischen Reitern gestoßen, und es gab einen sehr lustigen Kampf, in dem Adarian die Hauptrolle spielte (und ich auch ein bißchen): als wir in die Nähe der Reiter kamen, die natürlich versuchten zu fliehen, hängte sich Adarian an ein Seil, sprang vom Schiff und versuchte alleine die zwanzig schwer bewaffneten Reiter vom Pferd zu treten. Nachdem einige tatsächlich besiegt waren (wobei ich immer noch glaube, daß sie wohl nen schlechten Tag hatten; vielleicht haben sie sich aber auch einfach totgelacht), bemerkten wir, daß einer der Reiter wesentlich schneller ritt, als die übrigen, und wir verfolgten erstmal ihn, da es sich um einen Boten handeln könnte. Nach einigem hin und her, bei dem sich der Theraner zeitweise so seltsam verhielt, daß man fast glauben könnte, da wäre Magie im Spiel gewesen, gelang es Adarian schließlich, ihn vom Pferd zu schubsen. Da das Luftschiff natürlich nicht so schnell anhalten konnte, bin ich sofort hingeflogen und habe versucht, ihn mit meinem Pfeil zu betäuben. Bevor er jedoch einschlief, schluckte er etwas seltsames und versuchte dann auch noch einen Zettel zu essen. Die Hälfte konnte ich grade noch retten:
Nehmt Arcarchon— Bringt Kugel— Nicht berühren. P.M.
Damit war klar, daß es sich tatsächlich um einen Boten handelte. Auffällig war, daß ein Totenkopf auf dem Ärmel seines Stoffkleides aufgenäht war und er auf seinem Arm an derselben Stelle ein entsprechendes Tattoo hatte. Außerdem trug er einen Totenkopfring, den ich ihm erstmal abnahm, genau wie sein theranisches Brot (kann man vielleicht noch mal brauchen, man soll ja nix verschwenden).
"Ja ja, das mit dem Seil sah bestimmt komisch aus - und stellte sich als eine meiner weniger genialen Ideen heraus... Aber was soll's? Einen Versuch war's wert!" - Adarian
8. Boar 348 i.J.P.
Gestern abend sind wir nach Cromer gelangt, einem kleinen Dorf, das von Theranern besetzt war, und haben ein wenig abseits übernachtet. Heute morgen, nach ausführlicher Planung, haben wir dann angegriffen. Es war allerdings nur ein recht kurzer Kampf, bei dem wir aber erfuhren, daß in der Nähe tatsächlich noch ein größeres Heer lagert, mit dem sich dieser Trupp zusammentun sollte, um gegen Arcarchon zu ziehen. Aus diesem Grund sind wir dann sofort weitergeflogen und haben erst jetzt, in Drogheda, angehalten um ein wenig zu rasten und möglicherweise neue Informationen zu erhalten.
Die Dorfbewohner konnten uns tatsächlich weiterhelfen, wenn auch auf etwas merkwürdige Art und Weise: sie hatten einen (anscheinend sehr wichtigen) Gegenstand für mich, wenngleich wir bis jetzt noch nicht herausfinden konnten, um was es sich dabei eigentlich genau handelt und welchem Zweck es dient. Es sieht aus wie ein Dolch oder ein großer Schlüssel, aufbewahrt in einem Kästchen. Aus den Beschreibungen der Dorfbewohner haben wir geschlossen, daß es wohl Artemis gewesen sein muß, der ihnen dieses Artefakt zur Aufbewahrung gegeben hat. Das ist mal wieder alles sehr merkwürdig...
9. Boar 348 i.J.P.
Heute hab ich nur wenig Zeit, trotzdem muß ich wenigstens das Wichtigste aufschreiben, denn es ist so viel passiert, daß ich da jetzt schon nicht mehr den Überblick hab: Wie schon befürchtet, hatte sich nicht weit entfernt tatsächlich ein ziemlich großes theranisches Heer gesammelt. Das war vielleicht eine Schlacht! Am meisten hat uns alle Golgari überrascht, als er plötzlich Blitze auf seine Feinde schleuderte (wenn er das mal nicht bei diesem widerlichen Zauberer gelernt hat). Jedenfalls hat er sich gut geschlagen, wie’s aussah. Und die Elementaristen aus Arcarchon haben riesige Erdwälle gebaut, und Adarian hat sich gleich wieder mit denen angelegt, wie ich gehört hab (weil die meinten, sie würden mit den Theranern auch alleine fertig werden). Octavia und ich haben uns die ganze Zeit über um die Verletzten gekümmert, die uns dafür ständig mit den neuesten Informationen versorgten. Auf jeden Fall war Golgari der Held des Tages, wenngleich sich auch Adarian tapfer geschlagen hat, aber seine Stärke liegt wohl doch eher in der Strategie als im tatsächlichen Kampf. So, jetzt hab ich aber keine Zeit mehr, denn obwohl der Kampf vorbei ist, kommen immer neue Verletzte ins Lager, und Octavia ruft schon seit einiger Zeit nach mir (wahrscheinlich sind ihr wieder die Kräuter ausgegangen).
"Der Ausgang der Schlacht (den Sheerana anscheinend nicht für erwähnenswert hält) hätte nicht viel besser sein können, zumal ich mir aufgrund der Größe des theranischen Heeres schlechte Chancen für uns ausgemalt hatte. Doch das Heer bestand fast nur aus einfachen Soldaten, was unsere Situation erheblich verbesserte, zumal wir zusätzlich die Unterstützung der Elementaristen hatten. Auch die von Sheerana erwähnten Blitze, die Golgari im Kampf einsetzte, trugen zu einen glücklichen Ausgang bei. Trotz des Triumphes haben sehr viele tapfere Männer ihr Leben lassen müssen, und die Anzahl der Verletzten konnte ich nach einiger Zeit nicht mehr zählen. Wir hoffen, wir konnten Thera mit ihrer Niederlage wenigstens einen Seitenhieb verpassen, da das Heer, was in Drogheda vernichtet wurde, nur ein kleiner Vorbote einer riesigen Streitmacht war, welche es aufgebaut hatte. Golgaris mysteriöse Blitze wurden übrigens erzeugt von einem magischen Stein. Wir fanden ihn im Lager des Ogers, den ich vor ein paar Tagen schon einmal erwähnte. Eine Inschrift in alter Sprache war in den Stein geritzt. Ich konnte sie glücklicherweise übersetzen, und es ergab sich das Wort „Blitzmacht“. Wir kamen auf die Idee, ihn wie einen Feuerstein zu benutzen und kamen so hinter sein Geheimnis. Golgari kann sich sehr glücklich darüber schätzen, denn dank ihm ist er jetzt ein großer Held." - Octavia
Ich kann immer noch nicht glauben, wen wir nach dem Kampf am Lagerfeuer getroffen haben (ausgerechnet hier): Hoss, den Menschen von der Erdbeerplantage!!! Er hatte es, nachdem wir ihm bei unserem Besuch so viele Geschichten erzählt haben, dort nicht mehr ausgehalten und ist losgezogen, um selber Abenteuer zu erleben (anscheinend mit Erfolg). Und was das Beste ist: er hat für uns das ERDBEERLIED gesungen!!! Und nicht nur das, er hat es mir sogar beigebracht:
Erdbeer fein, Erdbeer mein
Stopf ich alle in mich rein
Rot und dralle, rund und pralle
Zuckersüß, ich eß sie alle
Auch Erdbeerwein, der schmeckt mir fein
Schütt ich in mein Bäuchlein rein
Erdbeer fein, Erdbeer mein
Stopf ich alle in mich rein
Kugelrund und auch gesund
Alle rein in meinen Mund
Erdbeertorten und Konsorten
Versetzen mich an Himmels Pforten
Doch zum Schluuhß, da hilft nur Mus
Lecker, lecker Erdbeermus
Erdbeer fein, Erdbeer mein
Stopf ich alle in mich rein
Eingelegt in Zimt und Zucker
Hausgemacht von meiner Mutter
Und dazu noch ein Kilo Butter
Erdbeereis vertreibt, wenn’s heiß
Sekundenschnell den stärksten Schweiß
Wie ich bewies,den Erdbeern Riesenwuchs verhieß
Wenn’s unten drückt und kräftig zwickt
Regne nur aufs rot verzückt
Ich puller nur aufs Beet der Beeren
Schon tun sie sich abrupt vermehren
Erdbeer mein, Erdbeer dein
Stopf sie alle in dich rein
Erdbeer mein, ach so fein
Fahr ich körbeweise heim
Ich hätte ja nie im Leben geglaubt, daß wir dieses wunderbare Lied jemals zu hören kriegen. Heute scheint wirklich mein Glückstag zu sein: er hatte sogar noch ein paar Erdbeeren dabei. Meine ersten Erdbeeren seit Monaten! Jetzt kann gar nichts mehr schiefgehen. Am selben Abend trafen wir dann noch einen alten Bekannten: Artemis! Allerdings nannte er sich diesmal „Wawalag, der Wanderer“. Octavia hätte ihn beinahe verraten, aber das geschieht ihm recht, schließlich hat er mein Amulett kaputtgemacht (mit Absicht, denn er wußte genau, daß ich mir das vorher angucken würde). Ich hab ihn jedenfalls erstmal ignoriert (obwohl mich ja schon interessiert hätte, was er zu der ganzen Sache, und vor allem zu dem komischen „Schlüssel“ sagen könnte).
"Artemis erzählte uns, daß diese magische Kugel aus Arcarchon äußerst wichtig ist. Würde Thera in ihren Besitz kommen, wäre es damit auch im Stande, die gesamte Macht über die uns bekannten Regionen zu erlangen. Außerdem steht die Kugel irgendwie in Verbindung mit Sheeranas Schlüssel und einem weiteren Relikt, welches sich in Druzba befindet. Diese drei Gegenstände müssen auf jeden Fall vor Thera geschützt werden. Mehr wußte Artemis uns leider nicht zu berichten. Er riet uns so schnell wie möglich nach Druzba aufzubrechen und uns um die Dinge dort zu kümmern, doch Adarian und Golgari spielten mit dem Gedanken, weiter an der Seite von Bernring zu kämpfen." - Octavia
10. Boar 348 i.J.P.
Gestern abend hatten wir noch beschlossen, mit den Luftschiffen weiter nach Travar zu reisen, aber heute Nacht haben wir alle von einer Grassteppe mit mindestens zwei Meter hohem Gras geträumt (bestimmt kein Zufall). Wir erfuhren dann von Artemis (der bestimmt etwas damit zu tun hat), daß es sich wohl um die „Steppe von Ortag“ handeln müsse, die sich zwischen Drogheda (der Stadt, in der ich dieses Artefakt bekommen hab) und Varna erstreckt und zu der wir nun unterwegs sind. Bernhard von Bernring hat es ein wenig bedauert, daß wir sie nicht weiter begleiten konnten, aber ich für meinen Teil bin sehr froh darüber, befinden wir uns doch jetzt endlich auf dem Weg in meine Heimat. Und das habe ich ausgerechnet Artemis zu verdanken, der mir vorwirft, das Schicksal von Druzba wäre mir egal. Dabei habe ich die ganzen letzten Tage ständig von nix anderem geredet, als davon, endlich dorthin zu reisen. Aber für die anderen waren natürlich mal wieder tausend Dinge wichtiger (die theranischen Truppen bei Drogheda hätten bestimmt auch von den Truppen aus Kratas allein besiegt werden können, obwohl Adarians und vor allem Golgaris Hilfe das Ganze sicherlich einfacher gemacht hat). Hoffentlich ist es jetzt nicht schon zu spät.
13. Boar 348 i.J.P.
Bisher ist unsere Reise weitgehend ruhig verlaufen, obwohl wir unterwegs auf ein Räuberlager gestoßen sind, das aber glücklicherweise bis auf eine Wache verlassen war. Dafür ist gestern abend was lustiges passiert: obwohl ich Adarian schon oft gesagt hab, er solle nicht auf die Jagd gehen, solange noch etwas anderes zu essen da ist, konnte er es mal wieder nicht lassen und hatte auch prompt „Erfolg“. Da ich mich ja mit Tieren auskenne, meinte er, mich fragen zu müssen, ob das Tier eßbar sei. Ich konnte mir das Lachen kaum verkneifen, denn was er mir da zeigte war eine Womble-Ratte. Die sind zwar durchaus eßbar (in der Hinsicht hab ich ihn natürlich sofort beruhigt), verursachen aber nach einiger Zeit starken Durchfall (hab ich leider vergessen zu erwähnen, ich dachte, das können die dann auch mal selber rausfinden). Wie gut, daß ich mir so einen weit entfernten, schön hohen Baum ausgesucht hab, denn sonst hätte ich bei dem Gerenne und Gefluche bestimmt nicht so gut schlafen können (mal ganz abgesehen von dem Gestank...). Am Mittag trafen wir dann auf eine Karawane aus Varna und erfuhren, daß die Stadt gefallen ist.
"Ich weiß manchmal nicht, wieso ich mich mit einem so hinterhältigen Windling abgebe. Hätte sie nicht wenigstens mich vor der Ratte warnen können? Ich versuche immer ihr mit Toleranz gegenüber zu treten und ihren unnachvollziehbaren Humor als rassischen Makel zu betrachten. Doch frage ich mich, warum habe ich eine solche Behandlung verdient? Bin ich denn einfach nur viel zu gutmütig? Oder handelt es sich um eine der großen Proben des Lebens, bei der ich meine Geduld und die Strapazierbarkeit meiner Nerven unter Beweis stellen muß? Manchmal wünschte ich, sie wäre mir gänzlich unsympathisch und unsere Wege würden sich trennen. Doch muß ich mir dann immer wieder eingestehen, daß ich sie trotz allem ein bißchen vermissen würde." - Octavia
14. Boar 348 i.J.P.
Das war knapp! Beinahe wäre unsere Reise hier zu Ende gewesen, denn gestern abend wurden wir urplötzlich von zwei riesigen Blitzechsen angegriffen, und da Artemis es nicht für nötig hielt, sich einzumischen („...ihr habt ja nicht gefragt...“), ist dieser Kampf sehr knapp ausgegangen, und Adarian wurde schwer verletzt. Aber wenn der Stein auch im Kampf nicht sehr nützlich war, so hat er uns doch wenigstens in Hinsicht auf das Artefakt ein wenig weitergebracht, indem er uns von einer alten Windlings-Prophezeiung erzählte:
Der Schlüssel zum Siegel
doch schließt er nicht
Der Flügel zur Freiheit
doch fliegt er nicht
Das Zepter des Ruhmes,
doch geeint ist er nicht
Wie ein See des Feuers
von flinken Flügeln getragen
bringt er Rum und Ehr
in dunklen Tagen
Das Artefakt scheint also möglicherweise der einzige Weg zu sein, um Druzba zu retten. Hoffentlich können wir den Spruch rechtzeitig entschlüsseln... Am Nachmittag sind wir plötzlich auf eine 20m breite Spur gestoßen, die, wie sich herausstellte, von einer Horde Orks stammen mußte. Da man bei denen ja nie weiß, woran man ist (dafür ist Golgari das beste Beispiel), haben wir unser Nachtlager erst in einiger Entfernung aufgeschlagen. Zu allem Unglück gehen uns auch so langsam die Vorräte aus, hoffentlich erreichen wir bald Druzba!
15. Boar 348 i.J.P.
Was für ein Glück! Wir machen gerade eine kleine Pause, und Adarian hat ein Gasthaus entdeckt (mit dem Veränderungsglas), dort können wir endlich unsere Vorräte auffüllen. Allerdings scheint irgend etwas nicht zu stimmen, plötzlich machen hier alle Panik...
Tja, wie soll ich’s sagen, hier stimmte tatsächlich etwas nicht: das Gasthaus war schon abgebrannt, als wir dort ankamen, davor hingen einige gepfählte Theraner (schöner Anblick), und alles war voller Orks. Glücklicherweise waren sie uns nicht feindlich gesinnt, und ihr Anführer, „Spießer“, konnte sogar ganz normal sprechen.
Wir erfuhren, daß sie auf dem Weg nach Varna sind, wo er seinen Bruder befreien will, der in „Fortuna Victoria“, dem theranischen Heerlager vor der Stadt, mit einigen anderen gefangen gehalten wird. Unter den theranischen Soldaten sollen sich übrigens auch eine ganze Menge Orks befinden. Als Spießer dann noch erzählte, daß die Theraner dort von einem Heerführer mit schwarzem Einhornbanner angeführt werden, wurde Octavia doch etwas blaß.
Später erzählte sie mir, daß dieser Heerführer niemand anderes als ihr Onkel ist, der Präfekt „Silvius Insidiae“. Allerdings hilft uns das nix, denn sie und ihr Onkel sind Todfeinde: als ihr Vater starb (was Silvius‘ Schuld war), mußte sie mit ihrer Mutter fliehen, denn ihr Onkel hätte sie beide sonst auch umbringen lassen. So ist sie dann damals nach Oppeln gekommen.
Jedenfalls müssen wir jetzt noch besser aufpassen als vorher, denn wenn Silvius auch nur erfährt, daß Octavia in der Nähe ist, dann haben wir ein ziemliches Problem. Trotzdem haben wir beschlossen, zunächst mit den Orks weiter in Richtung Varna zu reisen, denn zu viert hätten wir gegen die hier überall umherziehenden theranischen Truppen gar keine Chance. Genau, zu viert! Denn Artemis hatte natürlich mal wieder was anderes vor. Irgendwie hat ihn seine komische Bruderschaft wohl gerufen, und dann ist er in dem Gasthaus durch so eine Art Portal verschwunden. Aber er war eh keine große Hilfe (das hat man ja bei dem Angriff der Blitzechsen gesehen).
"Als ich erfuhr, daß es sich um Silvius Insidiae handelte, stieg in mir große Wut auf. Wie verhaßt er mir doch ist! Das letzte Mal, als ich Onkel Silvius sah, war es kurz bevor er meinen Vater ermorden ließ. Ich war damals gerade 15 Jahre alt und noch zu naiv um zu verstehen, was er vorhat. Doch seine Besuche waren mir schon als Kind zuwider. Er und mein Vater stritten ununterbrochen. Silvius war nie mit der Art zufrieden wie mein Vater politisch agierte, außerdem redete er ständig schlecht über meine Mutter, die keine Theranerin war. Ich hoffe, daß es gelingen wird, seine Truppen aufzuhalten, sein Heerlager zu zerstören und ich noch zu meiner persönlichen Rache kommen werde. Bevor Artemis verschwand gab er mir noch eine Frage mit auf den Weg, über welche ich nachdenken sollte. Diese lautet: „Was ist die größte Macht der Welt, die Licht ins Dunkel bringt?“ Leider wußte ich nicht, wie sie mir in unserer Situation hätte weiterhelfen können." - Octavia
16. Boar 348 i.J.P.
Also ich wußte ja schon immer, daß Menschen etwas seltsam sind, aber daß sie so eklige Sachen machen, hätte ich ihnen nicht zugetraut. Bah!
Heute sind wir wieder an ein Gasthaus gekommen. Allerdings sah man diesmal schon von weitem, daß dort ein Kampf im Gange war, deshalb sind Golgari und Spießer mit einigen anderen Orks schon mal vorgeritten. Als wir ankamen, war der Kampf vorbei (die Theraner haben natürlich verloren). Außer den Orks waren noch einige menschliche Soldaten da, der Wirt des Gasthauses und ein Händler. Ein Theraner lebte auch noch, ich nahm an sie wollten den verhören. Wir erfuhren, daß der Händler die Theraner mit Öl versorgt hat, und der Centurio der Soldaten wollte ihn wohl dazu bringen, als Spitzel zu arbeiten oder so. Ich habe dann versucht, ihn mit Ashta und Tindra einzuschüchtern, aber das hat nicht so ganz geklappt, obwohl er schon ziemlich verängstigt war. Dann kam Adarian dazu, und seine „Methode“ hatte auch endlich Erfolg, obwohl ich, und auch einige andere, in dem Fall gerne darauf verzichtet hätten (sogar den Orks ist schlecht geworden; Golgari war jedenfalls ziemlich grün im Gesicht).
Also, Adarian hat sich einen Pfahl genommen und dem Händler gedroht, ihm den, äh, wie hat er sich nochmal ausgedrückt, ihm den in den Arsch zu schieben (igitt ist das eklig). Octavia und ich dachten, wir hätten uns verhört, und die anderen nahmen zumindest an, daß er nur blufft, der Händler übrigens auch. Da hat Adarian den überlebenden Theraner holen lassen, und allen gezeigt, wie ernst er es meint. Das werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Hätte ich auch nur im geringsten damit gerechnet, wäre ich zumindest rausgegangen, aber wie gesagt, einige Perversitäten hätte ich den Menschen dann doch nicht zugetraut. Vorher! Der Händler ist dann auch erstmal in Ohnmacht gefallen, und als er aufwachte war er sehr kooperativ. Spießer hat Adarian nachher seinen Dank ausgesprochen für die Hilfe, aber der Ekel war ihm deutlich anzusehen (kein Ork der Welt würde je so tief sinken).
Als nächstes wollten die Orks nun Fortuna Victoria angreifen, und Golgari hatte beschlossen mitzuhelfen, was wir natürlich alle gut verstehen konnten. Octavia und ich hatten geplant, schon mal alleine nach Druzba vorzureiten, denn wie wir beide wissen, können wir uns ganz gut selbst verteidigen. Leider wußte Adarian das nicht. Obwohl wir alles versucht haben, um ihn loszuwerden (abgesehen davon, daß er uns eher behindern würde, weil Octavia sich dann nicht offen verteidigen kann, wäre es uns lieber gewesen, ihn einige Zeit nicht sehen zu müssen, um über die Aktion mit dem Händler hinwegzukommen), sind wir schließlich doch zu dritt nach Druzba aufgebrochen. Golgari versprach, so bald wie möglich nachzukommen und dann auch Verstärkung mitbringen. Der Sicherheit wegen ruhen wir uns nun den restlichen Tag aus, und reisen erst abends weiter.
18. Boar 348 i.J.P.
Gestern abend sind wir endlich in Druzba angekommen, nachdem wir uns den ganzen Tag in der Nähe an einem Berghang verstecken mußten (wegen den Theranern konnten wir es nicht wagen, tagsüber weiter zu reisen, auch wenn das Dorf schon fast in Sichtweite lag). Nachdem ich Octavia und Adarian in unser „Gästehaus“ gebracht hatte, bin ich natürlich sofort zu meiner Familie geflogen. War das schön, endlich alle wiederzusehen, jetzt merke ich erst, wie sehr ich das Leben hier manchmal vermißt hab.
Am meisten hat sich natürlich meine Zwillingsschwester Loriana gefreut, waren wir doch früher immer unzertrennlich. Den anderen hatte ich nie von ihr erzählt, da ich vorhatte, sie ein wenig zu ärgern, wenn wir mal hierher kommen würden. Das war nämlich unser altes Spiel, Fremde zu verwirren, denn es ist schon eine enorme Seltenheit, wenn Windlinge mehr als ein Kind haben, und Zwillinge würde wirklich niemand erwarten. Allerdings hatte ich unter den jetzigen Bedingungen doch ein paar Bedenken, ob das nicht unpassend wäre (früher hätte ich mir über sowas nie Gedanken gemacht, ich glaub ich hab zu lange nur mit Menschen zu tun gehabt), aber Loriana war schon vollkommen begeistert von dieser Idee, und da konnte ich einfach nicht widerstehen (ich mein, Krieg hin oder her, wer weiß wann sich so eine günstige Gelegenheit wieder ergibt, und ein bißchen Spaß hat noch nie geschadet).
Also hab ich gleich heute morgen Loriana zu den anderen geschickt, während ich selber zu unserem „Tempel“ geflogen bin (einem alten Kaer, auf dem unser Hauptgebäude steht —übrigens abgesehen von unserem Gästehaus das einzige Gebäude aus Stein—, das als Bibliothek, Versammlungsort und eben auch als Tempel dient), um nach Aufzeichnungen über den Schlüssel zu suchen. Illix Federkiel, unser Bibliothekar wie die Menschen sagen würden, meinte, das Ganze könne etwas mit einem Gegenstand zu tun haben, der hier im Tempel in einem Schrein aufbewahrt wird. Allerdings seien alle Windlinge, die jemals versucht haben diesen zu öffnen, zu Staub zerfallen, aber er meine, sich da an eine alte Sage zu erinnern... Er war gerade im Kaer verschwunden, um nach irgendwelchen alten Büchern zu suchen, da kam auch schon Loriana wieder. Sie hätte die anderen inzwischen unseren Eltern vorgestellt (die natürlich mitgespielt haben, die finden das ja selber immer wieder lustig), und nun wäre sie unter einem Vorwand vorausgeflogen, aber dabei nur knapp dem “Meckermenschen“ entwischt („Ist der immer so langweilig? Der wollte die ganze Zeit nur von irgendwelchen dummen Kriegen reden und hat sich gar nicht für das Fest heute abend interessiert.“), der sich furchtbar aufgeregt hätte und sie nicht mehr aus den Augen lassen wollte. Ich hab Loriana dann im Tempel gelassen und bin den anderen entgegengeflogen. Natürlich wollte ich sofort erzählen, was ich rausgefunden hab, aber Adarian war ziemlich wütend und hat mir sogar unterstellt, ich würde mich gar nicht mehr für diese Sache interessieren. Was für eine Frechheit! Ich könnte mir eher vorstellen, daß das auf ihn zutrifft, schließlich gefällt es ihm hier sowieso nicht, er macht ja doch nur alles lächerlich. Octavia verhält sich da wesentlich toleranter, ihr hab ich dann auch von dieser Sage erzählt. Danach hab ich die beiden erst mal alleine zum Festplatz geschickt, damit Adarian sich abregen kann. Nach einiger Zeit bin ich dann hinterhergeflogen, und unterwegs kam mir auch schon Loriana entgegen, in der einen Hand Adarians Geldbeutel und in der anderen seine Blitzechsenaugen, die er nach unserem Kampf mit diesen Biestern mitgenommen hat. Damit hatte sich meine Aussicht, daß er sich beruhigt haben könnte, erst mal erledigt, aber Loriana hatte zumindest eine gute Rechtfertigung: demnach hat Adarian in seiner schlechten Laune einigen jüngeren Windlingen Gruselgeschichten erzählt und sie mit eben diesen Blitzechsenaugen erschreckt... Trotz allem gab es am Abend noch eine schöne Feier, selbst Adarian hat wohl irgendwann eingesehen, daß es uns nicht viel weiterbringt, wenn er in der Ecke sitzt und schmollt.
"Ich muß schon zugeben, daß Druzba ein absoluter Kulturschock für mich war. Nie im Leben hätte ich gedacht, daß eine derartige „Gesellschaftsform“ überlebensfähige Geschöpfe hervorbringen kann. Endlich konnte ich manche Handlungen von Sheerana durchaus nachvollziehen, da ihre Heimat ein Ort ohne Regeln und Vorschriften ist. Jeder tut gerade das, wozu er Lust hat. Und doch scheint ihr „System“ irgendwie zu funktionieren, auch wenn ich nicht die geringste Vorstellung davon habe wie. Zu Adarian muß ich sagen, daß er wirklich äußerst unhöflich zu den Eingeborenen war und ich mich ein wenig seiner schäme. Er ist wohl nie weit herumgekommen, so daß er nicht wissen kann, daß man die Sitten fremder Kulturen zu respektieren hat. Aber von jemanden, der sein Leben fast ausschließlich in der Troskana verbrachte ist wohl nicht zu erwarten, daß ihm dementsprechende Umgangsformen geläufig sind. Ich machte mir doch große Sorgen darüber wie diese unbefangenen und planlosen Windlinge gegen ein theranisches Heer bestehen sollten. Alle Hoffnung lag nun bei der alten Windlingssage." - Octavia
19. Boar 348 i.J.P.
Als erstes gab es heute morgen mal wieder Ärger, und natürlich mal wieder wegen Adarian. Er hat sich fürchterlich aufgeregt, als er bemerkte, daß sein Geldbeutel und die Augen verschwunden waren (als wäre so´n Kram lebenswichtig!). Naja, ich bin dann unter dem Vorwand, den „Schuldigen“ zu suchen, zu Loriana geflogen. Soll die das ruhig ausbaden, is ja auch ihre Schuld. Sie ist dann auch sofort mit den Sachen los, und ich hab die Zeit genutzt, um nochmal zum Tempel zu fliegen. Dort mußte ich erstmal ganz tief ins Kaer rein, um Illix zu finden, weil der da in irgendwelchen uralten Büchern am rumwühlen war. Er hatte sogar was gefunden, nämlich ein Bild von unserem Schlüssel im Zusammenhang mit dieser Sage, das mußte ich natürlich sofort Octavia erzählen... Ich hab sie dann schließlich mit Loriana im Wald gefunden, wir haben getauscht, und ich hab sofort loserzählt. Jetzt ist Octavia auch mißtrauisch (sie glaubt, das hat was mit dem Tempel zu tun, und daß ich verflucht wäre oder so).
Abends bin ich dann noch mit Adarian, der sich inzwischen wieder einigermaßen beruhigt hatte (anscheinend hat Loriana alles zurückgegeben), zu Halim gegangen. Halim ist ein Mensch, der schon seit langem bei uns wohnt, und der sich ein wenig mit Zauberei auskennt, deswegen wollten wir ihn mal nach dieser Sage fragen. Er hatte auch tatsächlich schon mal etwas darüber gehört, nämlich, daß der Schlüssel von der Göttin käme, schützen würde, und daß derjenige, der ihn zurückbringt, ihn nutzen könne, woraufhin beide mich anguckten. Na toll! Adarians Blick sagte deutlich: viel Spaß dann als Staubhaufen... Dann fing er an, Halim über mich auszufragen, aber der hat nichts verraten, dafür hat er mich gefragt: “Wie lange noch?“, was Adarian nur noch mehr verwirrte. Geschieht ihm recht!! Von wegen Staubhaufen...Pah! Außerdem wollte ich morgen sowieso das Ganze aufklären.
20. Boar 348 i.J.P.
Als ich heute morgen mit Loriana zu den anderen geflogen bin, um sie vorzustellen, war plötzlich Golgari wieder da, und ich konnte mir einen letzten kleinen Scherz nicht verkneifen: ich bin zu ihm hingeflogen und hab ihn begrüßt, und kurze Zeit später kam Loriana rein und tat dasselbe. Wie die geguckt haben!!! Werd ich nie vergessen, ich hab mich fast totgelacht... Allerdings nur kurz, denn was Golgari erzählte klang ziemlich ernst: die Skelettkrieger ständen schon kurz vorm Wald und würden nur noch von ein paar Orks aufgehalten, deshalb müsse er jetzt schnell zurück, um denen zu helfen. Also ist er wieder losgeritten, zusammen mit einigen Windlingen, die eine Kette bilden wollen, um uns rechtzeitig zu warnen, wenn die Theraner zu nahe kommen. Adarian war mal wieder für das Strategische zuständig: er ist im Moment im Wald und baut Fallen. Und ich sitze jetzt hier, esse zum letzten Mal Erdbeeren und schreibe ein letztes Mal Tagebuch, denn gleich, wenn die wiederkommen, soll ich den Schrein öffnen, und ich hab ja schon beschrieben, was mit allen anderen passiert ist, die das Gleiche versucht haben. Zwar versucht Octavia mir Mut zuzureden („Denk an den Spruch! Du mußt nur dran glauben, dann kann gar nichts passieren!...“), aber man merkt, daß sie ihrer Sache auch nicht ganz sicher ist.
Oh nein! Ich muß los, Golgari kommt zurück....
21. Boar 348 i.J.P.
Ich lebe! Ich kann’s noch gar nicht richtig glauben. Und alle anderen leben auch. Und die Theraner sind weg. Und das haben Octavia und ich ganz alleine geschafft (jedenfalls fast).Und...ich fang am besten mal von vorne an:Also, Golgari kam zurück und sagte, wir müßten uns beeilen, die theranischen Skelettkrieger wären schon im Wald und auf dem direkten Weg nach Druzba. Das löste natürlich erstmal Panik aus unter den Anwesenden, vor allem weil wir uns nicht entschließen konnten, etwas zu tun, da Adarian noch nicht wieder zurück war. Aber glücklicherweise kam schon bald ein Windling angeflogen, der uns berichtete, Adarian wäre auf dem Weg zurück, und so sind wir schon mal in den Tempel gegangen... Ich stand also mit dem Schlüssel in der Hand vorm Schrein, die anderen in ausreichendem Sicherheitsabstand (!) dahinter (wahre Freunde eben), und hab ihn vorsichtig geöffnet. Was dann passierte kann man eigentlich gar nicht richtig beschreiben:
Als erstes kam mir Licht entgegen, richtig massives, strahlend weißes Licht, und ich konnte die anderen nicht mehr sehen, weil das Licht absolut undurchsichtig war, und dann hab ich mich gefragt, ob ich vielleicht schon tot bin, aber das konnte auch nicht sein, weil ich immer noch vor dem Schrein stand. Im Schrein drin lag eine Kugel, von der das Licht ausstrahlte (das jetzt eigentlich ganz angenehm war), aber ich wußte nicht, was ich damit machen sollte, weil anfassen und rausnehmen schien mir doch ein bißchen zu riskant. Also hab ich die erstmal kurz mit dem Schlüssel angetippt, jedenfalls hatte ich das vor, denn als der Schlüssel die Kugel berührte, verschmolzen die beiden irgendwie, das Licht wurde wieder durchsichtig (aber kaum weniger hell), und ich konnte die Kugel wie eine Fackel hochheben und nach draußen tragen.
Dort waren alle schon am jubeln und feiern, denn der Himmel war voller glitzernder Punkte, das sah wunderschön aus. Nur Adarian, Octavia und Golgari haben mal wieder nix mitgekriegt. Tja, und grade als ich denen erklären wollte, was los ist, kam ein Bote mit einer furchtbaren Nachricht: ein Gewitter wäre im Anmarsch. Eine Katastrophe! Es gab noch nie Regen in Druzba! Wir würden alle sterben, noch bevor der erste Theraner überhaupt hier wäre...
Krisensitzung: Illix berichtet von einem Hinweis, den er in einem alten Buch gefunden hat, daß nämlich die Kugel auf einen Hügel bei Jambol (ein Nachbardorf) gebracht werden muß. Daraufhin sind Octavia und ich gleich los und kamen nach, wie es uns schien, ewiger Zeit (während der das Wetter immer schlechter wurde) endlich dort an. Auf der Spitze des Hügels fanden wir einen großen Stein mit einem Loch in der Mitte. Als ich vorsichtig die Kugel darüber hielt, löste sie sich wieder von dem Schlüssel und flog nach oben, wo sie ein immer helleres Licht ausstrahlte, aus dem schließlich die rettende Kuppel entstand. Octavia sah natürlich gar nichts und nervte die ganze Zeit mit ihrer dauernden Fragerei. Als sie es dann endlich begriffen hatte, haben wir uns sofort auf den Rückweg nach Druzba gemacht.
Auf halbem Weg kamen uns dann die ersten Windlinge entgegen, unter ihnen auch Loriana. Sie erzählte uns, daß sich schon viele Theraner innerhalb der Kuppel befänden und nahe bei Druzba ihr Lager errichten würden. Als nächstes trafen wir Golgari und Adarian, und wir beschlossen, daß die beiden zurück nach Druzba gehen und das Dorf verteidigen sollten, während Octavia und ich uns in der Umgebung umsehen würden. Nachdem die beiden verschwunden waren, führte ich Octavia zu unserem „Aussichtsbaum“ (ein besonders hoher Baum mit guter Aussicht, der extra für Besucher hergerichtet wurde, d.h. mit Treppe und Plattformen). Von oben konnten wir auch das theranische Lager sehen. Es war riesig! Für den Bau der Befestigungen hatten diese Schweine in einem weiten Umkreis alle Bäume gefällt. Ein schrecklicher Anblick, ich will mich da gar nicht mehr dran erinnern... Octavia sagte dann, sie könne einen Naturelementar beschwören, der die Theraner angreift. Also setzte sie sich hin und konzentrierte sich (oder so), und ich mußte die ganze Zeit warten und zugucken, wie noch mehr Bäume gefällt wurden. Und dann passierte das nächste Unglück: plötzlich fing der Aussichtsbaum an, sich zu bewegen, und Octavia saß da immer noch, und ich durfte sie nicht ansprechen. Ich wußte überhaupt nicht, was ich machen sollte, es hätte ja sein können, daß sie eingeschlafen ist, und dann würde der Baum mit ihr wegrennen, irgendwohin, wie sollte ich das bloß den anderen erklären... Glücklicherweise wachte sie dann doch auf, gerade noch rechtzeitig, um schnell runterklettern zu können, bevor der Baum anfing zu rennen. Wir natürlich hinterher. Kurz vorm Waldrand beschlossen wir, uns doch auf dem Baum zu verstecken, um so unbemerkt ins Lager zu gelangen. War ganz schön schwierig, Octavia da wieder raufzubekommen, aber mit Hilfe eines Seiles schafften wir es schließlich. Nun waren wir schon an den letzten Bäumen vorbei, und als uns grad noch ein paar 100 Meter vom Lager trennten, fiel uns ein, daß die Theraner ja auf dieselbe Idee kommen könnten (immerhin hat er ja Treppen), also sprangen wir wieder runter. Im letzten Moment! Denn als der Baum das Lager erreicht hat, kam aus einem Gebäude Principus Mortis heraus, warf einen Blitz (ich war ziemlich überrascht, daß Theraner so etwas können—und sie selber wohl auch), und der Baum blieb stehen, verlor seine Blätter und qualmte. Einfach so! Unser Aussichtsbaum!
Octavia und ich waren jedenfalls total geschockt (wenn wir da jetzt noch draufgesessen hätten!), und sind so schnell wie möglich weggelaufen. Im Wald trafen wir auf Golgari und Adarian. Die beiden hatten zwei Theraner umgebracht und wollten nun die Rüstungen anziehen und sich so ins Lager schleichen. Wir haben sie dann erstmal darauf hingewiesen, daß sie gar kein Theranisch sprechen, abgesehen davon, daß der Ork auch nicht wirklich unauffällig gewesen wäre. Aber Adarian mußte natürlich wieder recht behalten und zog sich die Rüstung erst einmal an. So gingen wir dann zum Waldrand zurück, wo wir natürlich auf einige Theraner trafen (wahrscheinlich suchten die nach uns), und es einen heftigen Kampf gab, der für uns beinahe übel endete. Denn obwohl wir—das muß ich zugeben—dank Adarians Verkleidung das Überraschungsmoment auf unserer Seite hatten, handelte es sich wohl nicht um ganz normale Gegner: sie standen immer wieder auf, bis man ihnen den Kopf abschlug. Auch Adarian erlitt eine schwere Kopfverletzung (wieder einmal) und war bewußtlos. Octavia meinte, er könne ohne Heiltrank nicht die weite Strecke nach Druzba transportiert werden. Wir überlegten kurz, was wir mit ihm machen sollten (irgendwer schlug vor—ich war’s nicht—, ihn aufs Pferd zu binden und zu den Theranern zu schicken, die würden ihn schon wieder aufpäppeln, er müßte dann auch nicht sprechen), und als ich schon losfliegen wollte, um aus dem Dorf einige Tränke zu holen, da fand Octavia noch einen in seiner Tasche. Glück gehabt! Das wäre auf jeden Fall nicht der günstigste Ort zum Warten gewesen.
Während die anderen sich im Tempel (wo wir auch noch einige Heiltränke bekommen haben) um Adarian kümmerten, bin ich noch einmal zum Waldrand geflogen und habe von dort aus Sombia (meine Maus) ins Zelt von Principus Mortis geschickt. Dort erwartete mich allerdings eine Überraschung, denn wie sich herausstellte, steckte hinter der fürchterlichen Totenkopfmaske ein junger Mann (zwischen 25 und 30 Jahre alt denke ich, aber bei Menschen ist das immer schwer zu schätzen), blond, stämmig, gutaussehend (allerdings nicht unbedingt typisch theranisch); also auf jeden Fall nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Naja, jedenfalls las er gerade einen Brief, der anscheinend keine guten Nachrichten enthielt, denn sein Gesichtsausdruck war eher gequält und traurig. Als er zuende gelesen hatte, wurde er plötzlich wütend, knallte den Brief auf den Tisch und rannte nach draußen. Ich hab mir natürlich erstmal den Brief angeguckt, aber alles was ich erkennen konnte war, daß er von Silvius Insidiae stammt, Octavias Onkel. Daraufhin habe ich Sombia zurückgerufen und bin sofort ins Dorf zurückgeflogen.
Octavia wurde ziemlich blaß, als ich ihr alles erzählte, und es stellte sich heraus, daß es sich bei Principus Mortis um ihren Bruder Augustus handeln könnte. Dieser wurde zwar wie sie erzogen, blieb allerdings später, als sie mit ihrer Mutter floh, beim Onkel. Sie meinte nun, wenn sie mit ihm reden und ihm erklären könnte, was damals wirklich passiert ist, würde er sich vielleicht von Silvius lossagen und auf einen Angriff verzichten. Sie hatte sogar schon einen Plan: mit Sombias´ Hilfe müßte es möglich sein, ihm eine Nachricht zukommen zu lassen. Wir schlichen uns also nochmal in die Nähe des Lagers, sie schrieb eine Nachricht („Mein lieber Augustus, triff mich heute abend südlich des Lagers am Waldrand. Octavia“), steckte sie, zusammen mit ihrem Siegelring, in einen kleinen Beutel, und dann schickten wir die Maus damit los. Glücklicherweise war P.M. noch nicht zurück, so daß der Beutel ungesehen ins Zelt geschmuggelt werden konnte. Er fand ihn auch sofort, als er wiederkam, sprach kurz mit den Wachen (nicht gerade freundlich) und las ihn schließlich. Seltsamerweise schien er daraufhin zornig zu werden (er hätte sich ja wenigstens ein bißchen freuen können, so schlimm ist Octavia schließlich auch nicht), setzte seine Maske wieder auf und machte sich in Begleitung von 20 Soldaten auf den Weg. Als Sombia zurück war, sind wir erstmal weiter in den Wald geflüchtet, aber Octavia wollte unbedingt mit ihm reden, und so beschlossen wir, uns vorsichtig wieder anzuschleichen. Anscheinend nicht vorsichtig genug, denn plötzlich sprang hinter einen Baum ein Theraner hervor, schnappte Octavia und brachte sie zu Principus Mortis. Ich dachte nur: jetzt ist alles aus! Es gab nicht das geringste Zeichen, daß er sie wiedererkannte. Wenigstens handelte es sich wirklich um ihren Bruder, denn er gab zu, daß er eine Schwester namens Octavia gehabt hätte, die wäre allerdings tot, das hätte ihm sein Onkel erzählt. Dummkopf! So blöd können auch nur Menschen sein! Da steht sie vor ihm und er glaubt nicht, daß sie lebt?! Das muß man sich mal vorstellen! Ich bin natürlich sofort hingeflogen und hab ihm erzählt, was ich davon halte. Danach war er zumindest schon mal leicht verunsichert, und als Octavia ihn aufforderte, wenigstens die Maske abzunehmen, tat er das sogar (allerdings schickte er vorher alle seine Leute weg). Octavia fiel ihm dann sofort um den Hals, und er erkannte sie wohl auch endlich, jedenfalls freute er sich ziemlich.
Als nächstes wollte er sie überreden, zu ihm und Silvius (der sich ja auch soo freuen würde) zurückzukommen, wenn er hier fertig wäre. Schließlich müsse er sich an den Windlingen rächen, da sie Schuld seien am Tod seines Vaters!!! So eine dreiste Unterstellung! Nachdem Octavia ihm dann aber erklärt hatte, wer wirklich Schuld war und daß sie mit ihrer Mutter fliehen mußte, kippte er einfach um und eine Wolke erschien über seinem Kopf. Als er wieder zu sich kam war er vollkommen verändert, wahrscheinlich hat sein Onkel auf irgendeine Weise — durch Magie? — Macht auf ihn ausgeübt, die jetzt gebrochen ist. Augustus schwor jedenfalls, noch heute mit dem gesamten Heer abzuziehen und Silvius Insidiae anzugreifen. Außerdem entschuldigte er sich bei mir und bat mich, ein gutes Wort für ihn einzulegen, damit er uns nachher hier besuchen könne. Ich versprach es ihm natürlich, schließlich ist er ja Octavias Bruder und außerdem auch eigentlich ganz nett. Octavia und ich verabschiedeten uns und liefen dann so schnell wie möglich nach Druzba zurück, weckten die anderen und erzählten ihnen, daß die Theraner abziehen. Natürlich glaubten sie uns kein Wort, denn die Wahrheit konnten wir ihnen ja schlecht erzählen — und außerdem waren wir auch viel zu müde —, also beschlossen wir, das ganze am nächsten Tag zu klären, also heute...
"Dieser Tag, auch wenn er noch so angsterfüllt und ereignisreich war, war einer der schönsten Tage meines Lebens. Endlich hatte ich meinen Bruder wieder und gleichzeitig damit Druzba gerettet." - Octavia
Im Augenblick schlafen noch alle, aber nun, da ich alles aufgeschrieben habe, werde ich sie wohl mal wecken. Ich bin echt gespannt, was die für Augen machen werden, wenn sie das verlassene Lager sehen....
Das war ein Spaß! Wie die geguckt haben! Golgari hat die ganze Zeit vor sich hin gemurmelt „Das glaub ich nicht. Die können doch nicht weg sein. Das glaub ich einfach nicht“, und Adarian hat gar nichts mehr gesagt, sich allerdings ständig mißtrauisch umgesehen, so als hätten wir die Theraner nur mal kurz versteckt, um die beiden reinzulegen. Die beiden tun mir fast schon ein bißchen leid, immerhin haben wir sie um eine große Schlacht gebracht, und das mal grade so, als wäre es das einfachste auf der Welt. Ich kann mir schon vorstellen, daß das ein ziemlicher Schock sein muß für unsere beiden Helden. Aber die werden das schon überleben. Mehr Sorgen macht mir im Moment, wie wir die ganze Geschichte erklären sollen....
Bis jetzt konnten wir den Fragen allerdings ganz gut ausweichen, denn natürlich sprach sich unser „Sieg“ sehr schnell herum, und wie das bei uns üblich ist, wurde auch sofort mit den Vorbereitungen für ein Fest begonnen, an denen Octavia und ich uns natürlich unbedingt beteiligen mußten.
28. Boar 348 i.J.P.
Ein echtes Windlingsfest! Wie hab ich das vermißt! So gut wie jetzt ging es mir schon lange nicht mehr! Und ich glaube für die anderen hat der Begriff „Feier“ eine ganz neue Bedeutung bekommen, jedenfalls scheinen sie sich hier auch so langsam wohl zu fühlen. Sogar Adarian hat zugestimmt, bis Loar zu bleiben und das Erdbeerfest hier zu feiern. Seit gestern ist übrigens auch Augustus wieder da. Er ist ganz plötzlich aufgetaucht, und Octavia hat ihn als ihren Bruder und unseren Retter vorgestellt. Er wurde natürlich freundlich aufgenommen, und während der Feier kam zum Glück auch niemand auf den Gedanken, genauer nachzufragen. Allerdings sind die beiden seitdem die Attraktion in Druzba, denn wenn auch Octavia alleine schon sehr auffällig ist (durch ihre ungewöhnlich starke „Aura“), so sind beide zusammen so hell am leuchten, daß man fast geblendet ist. Besonders die Jüngsten sind natürlich begeistert davon, und so werden beide ständig von einer ganzen Horde verfolgt, die versucht, möglichst unauffällig zu wirken. Erstaunlicherweise scheint ihnen das sogar weitgehend zu gelingen, mir scheint nämlich, Octavia und Augustus haben das noch gar nicht bemerkt. Ich werde sie wohl demnächst mal darauf ansprechen (im Moment sind die beiden allerdings „alleine“ unterwegs, da sie natürlich viel zu besprechen haben), immerhin interessiert es mich doch, ob Augustus vielleicht ähnliche Fähigkeiten besitzt wie Octavia, was mir gar nicht so unwahrscheinlich vorkommt, wenn ich an die Sache mit dem Aussichtsbaum denke. Apropos Baum, Octavia hat mir versprochen, mir irgendwann meinen eigenen laufenden Baum zu machen, den ich dann immer mitnehmen kann, aber erst will sie noch ein wenig mit Erdbeeren üben. Und auch hier ist noch genug zu tun, denn die Theraner haben in der kurzen Zeit schon erheblichen Schaden angerichtet, und außerdem brauchen wir dringend einen neuen Aussichtsbaum, denn zum Erdbeerfest in ein paar Tagen werden wieder einige Besucher erwartet. Aber darum kümmert sich schon Augustus, wobei er natürlich von Golgari und Adarian unterstützt wird. Octavia und ich dagegen sind schon den ganzen Tag damit beschäftigt, den Wald im Bereich des Lagers wieder aufzuforsten. Glücklicherweise wachsen die Bäume bei uns sehr schnell, und natürlich beteiligt sich hier jeder einzelne Windling auf irgendeine Art und Weise an dieser Aktion, so daß die Schäden schon bald behoben sein werden. Das einzige, was meine gute Laune jetzt noch dämpft (und zwar erheblich), ist, daß mein Vater mir für morgen einen Besuch bei Tante Almi angedroht hat, was ich zweifellos zu einem großen Teil meiner lieben Zwillingsschwester zu verdanken habe. Sie hat es schon immer verstanden, sich überall einzuschmeicheln, vorausgesetzt natürlich, es gibt dort etwas zu holen. In Tante Almi’s Fall sind es ihre Erdbeerplätzchen, die, was selbst ich zugeben muß, hervorragend schmecken. Aber dafür ist die restliche Person so dermaßen unerträglich, daß kein Erdbeerplätzchen der Welt, sollte es auch noch so gut schmecken, mich jemals dazu bringen könnte, sie freiwillig zu besuchen. Wenigstens will morgen Octavia mitkommen, die wohl meint, ich würde übertreiben („So schlimm kann deine Tante ja gar nicht sein“), aber da wird sie sich noch wundern!
29. Boar 348 i.J.P.
Ich hab’s doch gewußt! Tante Almi hat sich mal wieder selber übertroffen, und meine Meinung über sie vollkommen bestätigt! Da das allerdings vorher niemand glauben wollte, sind heute morgen alle (also auch Golgari und Adarian) mitgekommen. Und so richtig besucht haben wir sie dann auch gar nicht, denn sie hat uns nicht einmal in ihre Hütte gelassen. Es fing schon an, als ich sie um ein Seil bat, an dem die anderen auf den Baum klettern könnten: sie regte sich furchtbar auf, daß ich jemanden mitgebracht hatte, wobei sie auch gegenüber den anderen keine Beleidigung ausließ (besonders der „Ork“ hatte es ihr dabei angetan), und tatsächlich von mir verlangte, meine Freunde wegzuschicken (nachdem sie den ganzen Weg nach Jambol mitgekommen sind) und sie alleine zu besuchen. Was denkt die sich eigentlich??? In diesem Fall wird mir wohl selbst mein Vater recht geben, denn Gastfreundschaft ist bei uns eins der wenigen, wenn auch ungeschriebenen, Gesetze. Aber ich muß zugeben, daß ich auf genau diese Reaktion gehofft hatte (schließlich kenne ich die Einstellung meiner Tante Fremden gegenüber), da sie mir einerseits viel Ärger erspart (sowohl von Almi als auch von meinem Vater), andererseits die Gelegenheit gibt, jemand anderen zu besuchen, der hier ganz in der Nähe wohnt: Yosmalia, die „Kräuterfrau“, wie sie von den meisten hier genannt wird. Zwar ist sie auch eine von meinen Tanten, aber sie ist das genaue Gegenteil von Almi: sie liebt Besuch, und ich glaube, daß sie sich mit Octavia ganz besonders gut verstehen wird, denn sie beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit allerhand Kräutern, die hier in der Gegend wachsen, und niemand kennt deren Eigenschaften und Wirkungen so genau wie sie, obwohl wir uns natürlich alle sehr gut in der Natur auskennen.
Wobei ich persönlich mit Pflanzen nie besonders viel anfangen konnte — abgesehen von Erdbeeren natürlich —, dazu waren sie mir einfach viel zu langweilig. Aber ich hatte ja auch so immer genug zu tun, denn da meine Mutter auch Tiermeisterin ist, hat sie mir schon früh allerhand beigebracht, und zusätzlich zu unseren eigenen Tieren (d.h. denen, die sich entschlossen hatten bei uns im Dorf zu leben, und denen wir alles mögliche beibrachten) hatten wir fast immer noch ein oder mehrere „Patienten“, die gesundgepflegt werden mußten. Und später kam dann ja auch noch Klein-Tindra dazu, die grenzenlos neugierig war und ständig etwas anstellte (einige behaupteten, sie sei mir darin ziemlich ähnlich). Außerdem war da ja auch noch Loriana, die es überhaupt nicht gerne sah, wenn ich mich zu lange mit den Tieren beschäftigte (sie war ein wenig eifersüchtig, wohl auch weil sie selber mit Tieren nicht so gut umgehen konnte, dazu war sie viel zu ungeduldig), und so fing sie an, wenn ihr zu langweilig wurde, mir alles mögliche zu klauen, was ich gerade benötigte: Tierfutter, Verbände,... einmal sogar den kranken Vogel, um den ich mich gerade kümmerte (womit sie eindeutig zu weit gegangen ist). In solchen Dingen hatte sie schon damals echt Talent, denn sie kommt eher nach unserem Vater, der ja Fährtensucher ist, und der ihr, wenn er mal da war, Schleichen, lautloses Fliegen und allerhand mehr beigebracht hat, wobei sie ihre Fähigkeiten doch etwas anders verwendet, als er es eigentlich gehofft hätte.
Aber zurück zu Yosmalia: ich fand sie, wie erwartet, in ihrem „Kräutergarten“, einer kleinen Lichtung, die ringsherum von Büschen umwachsen ist, um allzu gefräßige Tiere abzuhalten, und wie ich es mir gedacht habe, hat sie sich riesig gefreut. Das einzige Problem war jetzt nur, die anderen heil auf die Lichtung zu bekommen, was aber im großen und ganzen geklappt hat (Golgari hat sich einen langen Stab gesucht und ist mit Anlauf rübergesprungen, und Adarian hat versucht, das nachzumachen, wobei er allerdings nur die halbe Strecke geschafft hat, und da er ja nun sowieso schon im Gebüsch stand, hat er gleich auch noch Octavia rübergehoben). Jedenfalls wurde es ein sehr schöner Tag und Octavia muß wohl auch das eine oder andere dazugelernt haben, so lange wie sie Yosmalia ausgefragt hat (worüber die sich natürlich sehr gefreut hat, denn so aufmerksame Zuhörer finde sie selten, meinte sie zum Abschied zu mir). Am späten Nachmittag sind wir dann nach Druzba zurück, da noch einiges für das Erdbeerfest vorbereitet werden muß, aber da wir Yosmalia dort auf jeden Fall noch einmal sehen würden, fiel der Abschied nicht so schwer. Außerdem mußte ich mich noch um einen Bogen kümmern, denn Adarian hatte sich in den Kopf gesetzt, daß er für seine kleine Waffensammlung unbedingt noch einen echten Windlingsbogen braucht. Hoffentlich ist er sich der Ehre wenigstens bewußt, denn es gibt nur sehr wenige Menschen, die einen unserer Bögen besitzen, und zwei Tage vor einem Fest jemanden zu finden, der mal schnell einen baut ist gar nicht so einfach.
30. Boar 348 i.J.P.
Heute morgen sind schon die ersten Gäste angekommen, darunter auch Roderich Ezel Al Raschid, den wir aus der Troskana kennen, und der in einer sehr edlen Sänfte anreiste. Am erstaunlichsten aber waren die weißen Elben, deren Wagen irgendwie zu leben schienen und die sich direkt nach der Ankunft in wunderschöne Häuser verwandelten (die Wagen natürlich). Am Abend (den ganzen Tag über waren wir noch mit Festvorbereitungen beschäftigt) bekam Adarian dann auch seinen Bogen. Allerdings benötigte er mehrere Versuche und die Hilfe von Golgari um ihn zu spannen, was alle sehr amüsant fanden. Er will ihn jetzt auch gleich noch ausprobieren, aber ich für meinen Teil werde mich schon schlafenlegen, denn das Erdbeerfest beginnt ziemlich früh. Außerdem ist es immer besser in Deckung zu gehen, wenn Adarian eine Waffe in der Hand hat...
1. Loar 348 i.J.P.
Das war vielleicht eine Feier!! Noch tausend mal besser als ich es in Erinnerung hatte (und das will schon was heißen)... Also, wie schon gesagt begann das Fest sehr früh am Morgen, und zwar zuerst mit Trommeln, das allmählich immer lauter wurde und dann, als sich die meisten am Festplatz versammelt hatten mit lauten Fanfaren (da sind dann auch die Letzten wach geworden). Alles war geschmückt mit bunten Blumen und Girlanden, überall hingen Schläuche mit Getränken, es gab reichlich zu Essen — besonders Erdbeerspeisen natürlich —, und alle waren am tanzen (nur Adarian und Golgari waren mal wieder etwas skeptisch, und außerdem wohl auch noch nicht ganz wach). Nach einiger Zeit stoppte die Musik, und aus dem Tempel schien ein strahlendes Licht. Aus diesem Licht flogen zuerst drei Windlinge in Form eines Dreiecks, gefolgt von sechs Elben, die einen Halbkreis bildeten. Den Schluß bildete Al Raschid, der, als die Prozession in der Mitte des Platzes angelangt war, eine sehr schöne Rede hielt (über ein neues Zeitalter, das anbrechen würde und so), und dann ging die Feier endlich richtig los...
Dazu muß ich sagen, daß sich ein Windlingsfest extrem von den Festen der Menschen unterscheidet, man könnte fast sagen, daß es genau das Gegenteil ist, denn während bei den Menschen meist nur einen Tag gefeiert wird, und am nächsten Tag alle einen „Kater“ haben, wie sie es nennen (obwohl ich nicht weiß, was die armen Tiere dafür können), wird bei uns wesentlich länger gefeiert (das Erdbeerfest mit seinen fünf Tagen zählt zu den eher kürzeren Festen), und trotzdem sind am Ende alle viel frischer und erholter als vorher. Zum Teil wird das wohl an der Art der Getränke liegen, denn es gibt zwar auch Bier und Ähnliches, aber überwiegend wird so eine Art Weißwasser getrunken, das es nur im Tempel gibt, und das nur von den Ältesten hergestellt und verteilt werden darf (bei uns ist es bei wichtigen Festen nämlich auch den Jüngsten erlaubt zu saufen — vorausgesetzt sie können schon alleine fliegen —, allerdings kriegt dann auch jeder nur soviel wie er verträgt). Jedenfalls wirkt dieses Getränk sehr schnell und vor allem sehr plötzlich, daher hat sich bei uns so etwas wie ein Sport entwickelt, das sogenannte „Tempelrennen“: wer es schafft, nach einem Glas „Weißwasser“ noch aus dem Tempel zu fliegen ist der absolute Meister dieser Disziplin (ich hab allerdings in meinem ganzen Leben nur von einem einzigen Windling gehört, der das jemals geschafft hat, und das war der alte Asgilur, der dafür heute noch jedem bekannt ist), aber auch wer noch aufrecht gehen kann verdient höchsten Respekt. Ich selber habe das allerdings noch nicht geschafft, obwohl ich glaube, daß ich nach dem letzten Glas gar nicht so schlecht war (zumindest die Geschwindigkeit war perfekt, wenn auch möglicherweise nicht die Richtung).
Auf jeden Fall war das mal wieder ein Riesenspaß, und nach änfänglichem Zögern ließen sich auch Octavia und Augustus dazu überreden, mitzusaufen, nach drei oder vier Tagen dann auch Adarian (die drei waren sehr erstaunt, daß es ihnen heute morgen immer noch gut ging). Golgari ist lieber seinem Bier treu geblieben, aber auch ihm geht es ziemlich gut, was dafür spricht, daß es nicht nur an den Getränken liegt, wenn unsere Feiern so erholsam sind.
Allerdings ist es nicht so, daß man durchgehend fünf Tage wach bleibt, wie sich viele Menschen das immer vorstellen (die auch mal gerne damit angeben, daß sie zwei Nächte durchgefeiert hätten, ohne zu schlafen — was für mich auch eine Erklärung für ihren sogenannten „Kater“ ist —, allerdings schläft jeder dann, wenn er müde ist, ob nun Tag ist oder Nacht, allerdings meist nur kurz, da man sich hier sehr schnell erholt (was wohl auch teilweise dem „Weißwasser“ zuzuschreiben ist, von dem manche glauben, daß es teilweise ähnliche Bestandteile enthält wie unsere Heiltränke).
Leider müssen wir nun auch schon wieder aufbrechen, wie wir es Adarian versprochen hatten (obwohl er zugegeben hat, daß es eigentlich doch ganz schön ist hier — für einen kurzen Urlaub —, denn er muß dringend nach Quellgrund (bei Trosk), um dort etwas mit seinem Bruder zu klären. Vorher könnten wir allerdings noch kurz Lüderitz befreien, meint er, aber das werden Octavia und ich schon zu verhindern wissen. Wir haben nämlich so langsam genug von diesen bescheuerten Theranern, und Lüderitz ist dann vielleicht doch etwas zu groß, um da mal gerade zu viert einzumarschieren und die Theraner zu besiegen. Golgari hält sich aus allem raus, aber ihm ist deutlich anzusehen, daß er auf einen richtig guten Kampf hofft, wo wir ihn doch hier im Grunde um die Schlacht betrogen haben. Wie dem auch sei, ich werde mich jetzt mal wieder von meiner Familie und meinen Freunden verabschieden müssen, denn die anderen sind schon fertig zum Aufbruch.
2. Loar 348 i.J.P.
Etwas sehr komisches ist passiert: Golgari ist verschwunden! Nicht weggegangen, sondern richtig verschwunden!!! Dabei war gestern noch alles in Ordnung: ich hatte mich verabschiedet, und wir sind losgezogen, wobei wir uns nur etwas gewundert haben, warum es so ruhig ist im Dorf. Als wir dann an den Platz kamen, an dem die Theraner ihr Lager aufgeschlagen hatten, bekamen wir allerdings schnell eine Erklärung dafür: alle hatten sich dort versammelt, um sich zu verabschieden! Als wir noch staunend am Waldrand standen, kam einer der Ältesten auf uns zu und überreichte jedem einen Orden, dafür daß wir Druzba gerettet haben. Ich war ganz gerührt, und auch die anderen haben sich sehr gefreut (so haben unsere beiden Krieger auch etwas, was sie vorzeigen können, wenn sie später mal von ihren Heldentaten erzählen). Aber obwohl es sehr schöne Amulette sind (runde Holzscheiben mit Kristallsplittern darin und in der Mitte jeweils ein schöner roter Stein), hat es mich doch noch mehr gefreut, daß noch mal alle zusammengekommen sind, um sich zu verabschieden. Auch wenn es mir danach sogar noch schwerer fiel, wieder zu gehen. Und dann passierte etwas, das vielleicht mit dem Verschwinden von Golgari zu tun haben könnte: und zwar ist die Schutzkuppel immer noch da, und wir mußten da durch gehen. An sich war das nicht schlimm, obwohl es innerhalb dieser Hülle so hell war, daß ich fast die Augen zumachen mußte, aber vielleicht wirkt die Kuppel ja auf Orks irgenwie anders oder so, jedenfalls haben wir ansonsten überhaupt keine Erklärung. Angefangen hat das dann gestern Nacht: ich hatte Wache und da war Golgari plötzlich weg. Ich hab natürlich sofort die anderen geweckt, und wir haben alle nach ihm gesucht, aber ohne Erfolg. Gerade als wir aufgegeben hatten, tauchte er wieder auf, dort wo er geschlafen hatte. Wir fragten natürlich sofort, wo er gewesen sei, aber er meinte, er hätte die ganze Zeit hier gelegen und geschlafen, und wir sollten nicht so’n Unsinn erzählen. Da haben sich die anderen halt wieder hingelegt, obwohl alle sehr verwirrt waren, und ich hab meine ganze Wache lang aufgepasst, aber er war die ganze Zeit da. Als wir Morgens alle aufgestanden sind war er dann wieder weg, und daran hat sich bis jetzt (es ist schon früher Nachmittag) nichts geändert. Wir haben auch alles abgesucht, aber es führen nicht einmal Spuren von seinem Schlafplatz weg. Das ist schon alles sehr seltsam, und vor allem können wir ja nicht einfach ohne ihn weitergehen...
3. Loar 348 i.J.P.
Golgari ist immer noch nicht wieder aufgetaucht, und wir haben beschlossen, erst einmal nach Varna weiterzureisen. Allerdings habe ich eine Nachricht für ihn geschrieben, so daß er hoffentlich bald nachkommt: „Kolgary vir sin waita nach Wahrnah. Kom biete nach.“ Octavia hat mir nämlich in den letzten Wochen das Schreiben beigebracht, und da ich jeden Tag übe, indem ich hier aufschreibe, was alles passiert ist, kann ich das inzwischen schon ziemlich gut finde ich (obwohl Octavia ständig irgendwas von Rechtsschreibung erzählt, aber da ich immer mit der rechten Hand schreibe, gehe ich davon aus, daß sie mich nur ärgern will).
Es ist unglaublich: wir waren gerade ein paar Stunden unterwegs, da tauchte Golgari plötzlich wieder auf, und zwar wirklich plötzlich. Er saß nämlich auf einmal wieder auf seinem Pferd, direkt auf seinem Rucksack und guckte sich ziemlich verwundert um, was ja auch verständlich ist.