Alouans Reise in die Unterwelt

Aus Aloran Kompendium
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Alouans Reise in die Unterwelt ist ein berühmter Mythos in Barthavion und wird von den Barden des Alten Weges überliefert.

Die folgende Version wurde den Helden vorgetragen von Wodhi, dem Wortweber in der Zuflucht der Freigeister in L'yreh.


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Alouan Silberklang ist heute allen bekannt als der wohl berühmteste und schönstimmigste Barde, der jemals in Barsaive gelebt hat. Über Torians Völkerzug brachte er die Lieder aus seiner Heimat im alten Balmar mit ins schutzbietende Barthavion und begründete dort schließlich die Traditionen des heute allseits geschätzten und verehrten Bardentums.

Während der Regentschaft von Torian war Alouan im jungen Valkenburg der wohl bekannteste und beliebteste von allen Sängern und Geschichtenerzählern. Sein Ruhm überstrahlte alles, was die folgenden Generationen des Bardentums hervorbringen sollten, und er wurde zum persönlichen Liebling des singenden Gottes Suno.

Viele behaupten, dass Alouan sein Können einst von den Elben selbst gelernt hätte und sein Gesang stand der Schönheit des alten Volkes tatsächlich in Nichts nach. Mit seiner zauberhaften Stimme zog er nicht nur alle Menschen in seinen Bann, sondern selbst die Tiere, die Pflanzen und sogar die Steine lauschten voller Verzückung seinen Darbietungen.


In seinen Liedern besang Alouan vor allem die heldenhafte Reise des großen Torian und drückte all seine Verehrung für diesen Helden und späteren König von Valkenburg dabei aus. Doch für Alouan war Torian nicht nur sein verehrter Anführer und König, sondern beide waren während ihrer langen Reise ins Land der Zwerge zu engen Freunden geworden. Ähnlich wie Brüder hatten sie Seite an Seite gekämpft und ihre neue Heimat bei den Zwergen erstritten, was sie untrennbar für alle Zeiten miteinander verbunden hatte.

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Deshalb traf es Alouan wie ein vergifteter Pfeil mitten in sein heiteres Bardenherz, als er erfuhr, dass König Torian während der Unruhen um die Thronfolge von seinen eigenen Untertanen auf den Straßen der freien Stadt Valkenburg getötet worden war. Nicht einmal die Tatsache, dass der rote Widder Barthavos Torians Seele auf seinen eigenen Rücken ins Reich der Toten getragen hatte, konnte Alouans Schmerz über den Verlust seines engsten Freundes hinwegtrösten.

Der Barde war gebrochen und verlor in der darauffolgenden Zeit seine Hingabe und seine zauberhafte Stimme. Alouan verstummte und zerbrach voller Schmerz seine Laute. Alle Einwohner Barsaives trauerten mit dem betrübten Sänger und hofften, dass sie eines Tages den Klang seiner Silberstimme wieder vernehmen könnten. Doch Alouans Gesang war ausgeklungen, denn er schwor, dass er erst wieder singen werde, wenn Torian aus dem Totenreich zurückkehren und seinen rechtmäßigen Platz auf dem Thron wieder einnehmen werde.


Das Verstummen von Alouan machte die Leute traurig, doch am betrübtesten war der Gott Suno, der seinen Liebling unter den Sängern nicht so einfach aufgeben wollte. Er konnte sich nicht damit abfinden, dass Alouan all seinen Sangesruhm opfern wollte, nur weil er einen sterblichen Freund verloren hatte. Also fasste der Gott den Entschluss, Alouan aus seinem Leid herauszuhelfen. In einer Nacht suchte er deshalb den trauernden Barden heim und sang ihn im Traum ein göttliches Lied, in welchem er ihm verriet, wo er den Eingang zum Reich des Letor finden könne.

Als Alouan erwachte, hatte sich der Gesang des Gottes wie ein Ohrwurm tief in seinen Geist gesenkt. Er wusste, dass Letor es Sterblichen niemals gestatten würde, das Reich der Toten zu betreten, aber der Barde fasste den Entschluss, die Seele seines Freunds und Königs Torian aus diesen Gefilden zu retten und zurück in die Welt der Lebenden zu holen.

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Also verabschiedete sich Alouan von seinem Freund Gwion, dem weisen Druiden, nachdem er ihm sein Vorhaben verkündet hatte. Dieser warnte Alouan jedoch davor und sprach:

„Mein guter Freund Alouan, du wirst einen bitteren Preis dafür zahlen, wenn du als Sterblicher versuchen solltest, das Reich der Toten zu betreten! Denn selbst wenn du es schaffen solltest, Torian zurückzuholen und lebend wieder nach Valkenburg zurückzukehren, so würde der Tod unweigerlich an dir haften bleiben. Dein Platz unter den Lebenden wäre damit für alle Zeiten verloren und es gäbe keinen Ort mehr auf Gea, zu dem du gehören würdest. Und ebenso würde es den zurückgekehrten Torian ergehen. Also bitte ich dich hier zu bleiben und stattdessen neue Lieder über unseren verstorbenen König zu singen. Nur so kannst du Torian für alle Zeiten lebendig halten!“

Alouan ignorierte die Worte des weisen Gwion und trat seine Reise trotz dessen eindringlicher Warnung voller Eifer an. Er wollte sich nicht mit dem Verlust Torians abfinden und war bereit jedes Risiko für dessen Rettung einzugehen. Also begab er sich tief ins Throaler Gebirge, wo er durch Sunos Hilfe auch tatsächlich den Eingang zum Totenreich entdeckte. Mutig öffnete er das unheimliche Tor, welches aus den Knochen von unzähligen Verstorbenen errichtet worden war und betrat die eisigen Gefilde des Todes.


Der tapfere Barde schlich sich dann durch düstere Gänge und sah furchtbare Kreaturen, welche Letor als Wächter dienten. Er war sehr vorsichtig und wollte von keinem Einwohner dieses unheilvollen Ortes entdeckt werden, schon gar nicht von dem mächtigen Letor selbst. Er wusste, dass der Gott ihn für seine Anmaßung bestrafen würde, denn schließlich ist dieser der einzige, dem es zusteht, über die Seelen der Toten zu bestimmen.

Alouan suchte also verbissen nach dem Ort, an welchen Letor die Seelen der tapfersten Helden versammelt. Er kam dabei an vielen Stätten des Totenreiches vorbei, an welchen die Verstorbenen ihr Dasein fristen mussten. So sah er die gequälten Seelen, die nach einem unglücklichen Leben voller Reue als rachsüchtige Geister umherspuken und ihm eine große Angst einjagten. Ebenso begegnete er den sorglosen Seelen, die nach einem glücklichen, aber bedeutungslosen Leben ein Dasein als flüchtige Schatten fristen und schließlich für alle Zeiten vergehen, nachdem der letzte Sterbliche aufgehört hat, sich ihrer zu erinnern.

Schließlich stand Alouan vor dem Tor einer goldenen Halle und er fühlte, dass Torian ganz nah sein musste. Gerade als er die glorreiche Pforte öffnen wollte, hörte er jedoch eine tiefe und markerschütternde Stimme hinter sich. Er wandte sich um und erblickte das furchteinflößende Gesicht des mächtigen Letor selbst. Dieser sprach:

„Bleib wo du bist, Sterblicher! Dein Endringen in mein Reich ist eine niederträchtige Unverschämtheit und du solltest mir schnell einen Grund nennen, warum ich dich nicht sofort zu den unglücklichen Seelen bringe, wo du für diesen Frevel mit unendlichem Leid bezahlen solltest!“

Voller Furcht brachte Alouan kaum ein Wort heraus. Doch schließlich löste sich seine Zunge und der Barde stimmte den schönsten Gesang an, der jemals seine Kehle verlassen hatte. Er sang dem Gott ein herzzerreißendes Lied über Torian und ihren langen Völkerzug, sowie über ihre Freundschaft, seine Trauer über den Verlust seines Königs und Sunos Traum, der ihm zum Eingang des Totenreiches geführt hatte. Letor hatte noch nie einen so schönen Gesang vernommen und die herrlichen Klänge zogen den finsteren Gott in einen zauberhaften Bann. Er lauschte den Strophen von Alouans Liedern und sein kaltes, hartes Herz würde dabei so gerührt wie noch nie zuvor durch einen Sterblichen.

Letor hörte Alouan bis zum Schluss von dessen Darbietung zu und sprach dann mit einer Träne in den Augen:

„Dein Gesang hat mich zutiefst bewegt, Sterblicher! Niemals zuvor vernahm ich an diesem Ort des Todes solch rührende Klänge und Worte. Auch wenn der selbstsüchtige Suno mich verraten und hintergangen hat, so verstehe ich, dass dieser singende Gott deine Silberstimme nicht aufgeben will. Also geh, du tapferer Barde und hole deinen Freund und König zurück! Jedoch sollt ihr dann so schnell wie möglich von hier verschwinden, oder ihr werdet das Schicksal der unglücklichen Seelen teilen und für immer leiden!“


Mit einer Handbewegung öffnete Letor dann das Tor zur Goldenen Halle der Helden. Alouan betrat die wundervollen Gefilde, die sich dahinter offenbarten und fand Torian an einer langen, goldenen Tafel sitzen. Dort trank dieser den süßesten Met gemeinsam mit den Seelen der größten und ruhmreichsten Helden der Vergangenheit. Der Barde zögerte nicht lange und ergriff Torian an dessen kalter Totenhand und sprach:

„Mein Freund und König, ich bin hier um dich zu retten. Also spute dich und folge mir zurück ins Reich der Lebenden!“

Torian jedoch sah den Barden voller Mitleid an und zog seine Hand fort. Er sprach:

„Alouan, was tust du hier? Niemals hätte ich dich gebeten, mir ins Reich der Toten zu folgen! Meine Zeit ist vorüber, auch wenn du dies nicht akzeptieren willst. Würde ich zurückkehren, würde ich nur denen im Weg stehen, die mein Vermächtnis derzeit in ihr eigenes Schicksal verwandeln. Außerdem bin ich hier in edler Gesellschaft und habe mir den Platz an der Goldenen Tafel durch meine Taten mehr als verdient. Deshalb bitte ich dich, Alouan: Kehre zurück, bevor es zu spät ist und der Tod dich nicht mehr loslassen wird! Und halte die Erinnerung an mich in deinen Liedern aufrecht und beraube die Welt nicht länger um deine Silberzunge!“

Voller Enttäuschung vernahm Alouan die Worte des Königs und begann zu verstehen, dass seine Reise zu den Toten ein großer Fehler war. Die Macht Torian am Leben zu halten hatte die ganze Zeit in seiner Kehle gelegen und er erkannte das sein eitles Verstummen den König erst aus der Welt der Lebenden verbannt hatte. Also versprach er Torian so schnell wie möglich nach Valkenburg zurückzukehren und viele neue Lieder über diesen zu singen.


Alouan verabschiedete sich ein letztes Mal von seinem Freund und König und stieg wieder hinauf in die Welt der Lebenden. Er versuchte nicht zurückzusehen und fand tatsächlich den Weg nach oben, wonach er ohne Umschweife nach Valkenburg zurückkehrte. Doch dort machte er eine erschreckende Entdeckung. Die Zeit im Totenreich verläuft nämlich anders und während Alouan dachte, nur eine kurze Zeit in Letors Reich verweilt zu haben, so waren bei den Lebenden bereits viele Jahre ins Land gezogen. Alouan wanderte durch die ihm nun fremd erscheinenden Straßen der Stadt und fand nicht einen Menschen mehr, den er gekannt hatte. Sie alle waren dahingeschieden und viele von ihnen schon längst vergessen.

Traurig dachte Alouan an die Warnung des weisen Gwion, der ihn gewarnt hatte, dass er keinen Platz mehr unter den Lebenden finden werde, wenn er sich auf eine Reise zu den Toten einlassen würde. Doch dann hörte Alouan plötzlich ein Lied von einem jungen Braden, der auf der Straße für einige Leute sang. Dabei handelte es sich um eins seiner eigenen Lieder. Es war ein Lied über Torian, welches er vor langer Zeit gedichtet hatte. Freudig ging er zu der Gruppe von andächtig lauschenden Valkenburgern und gab sich vor ihnen als der berühmte Alouan Silberklang zu erkennen. Statt der erwarteten Bewunderung wurde er jedoch von einem Mann aus dem Publikum als Betrüger beschimpft. Dieser sagte ihm, dass Alouan Silberklang bereits seit vielen Jahren tot sei und es eine große Beleidigung sei, sich als den berühmtesten aller Barden auszugeben. Der Mann war betrunken und wurde sehr zornig über die vermeintliche Anmaßung des Fremden. Noch bevor Alouan ihn durch seinen Gesang beweisen konnte, dass er tatsächlich der berühmteste aller Barden sei, wurde er von dem empörten Valkenburger mit solch einer Rage geschlagen, dass Alouan dies nicht überlebte. Das letzte, was dieser hörte, war die Stimme des jungen Barden, der immer noch sein Lied über Torian sang. So starb Alouan einen bittersüßen Tod und verließ die Welt in dem Wissen, dass Torian durch seine Lieder tatsächlich unsterblich geworden sei, er seine eigene Lebzeit durch seine anmaßende Trauer jedoch verwirkt hatte.

Man sagt, dass Alouan nach seinem sinnlosen Tod zumindest wieder mit Torian vereint wurde. Da Letor den Silberklang seiner Stimme niemals vergessen hatte, gab er dem schönstimmigen Barden einen weiteren Platz an der Goldenen Tafel der Helden. Jedoch bereute Alouan dort seine eitle Reise zu dem Ort, an welchen er nun ohnehin die Ewigkeit verbringen werde. Er wünschte, dass er auf Gwion gehört und seine kostbare Lebzeit dazu genutzt hatte, weitere Lieder für die Lebenden zu singen, statt nach den Toten zu suchen. Jedoch war es ihm ein großer Trost zu wissen, dass sein Vermächtnis nun von anderen Barden übernommen wurde und seine Lieder noch in vielen Jahren in Barsaive zu hören seien werden.

Ende