Episode 20-05: Ankunft in Kronstadt
Episode 05: Ankunft in Perlheim
30. Loar – 1. Nauloar 351 i.J.P.: Die Helden werden in Perlheim im Gasthaus "Perlenglanz" untergebracht und treffen Prokonsul Vorax auf dem Anwesen. Kenji begegnet seiner alten Freundin Talina und Kritik an Vorax‘ Politik kommt auf. Im Meerweib erfahren sie von dämonischen Aktivitäten auf dem Anwesen.
Inhaltsverzeichnis
30. Loar 351 i.J.P.
Ankunft am Luftschiffhafen
Als die Helden am Abend den Luftschiffhafen von Perlheim erreichten, kam ihnen vor dem Hafen ein kleines Schiff mit Zollbeamten entgegen. Von ihnen erfuhren sie, dass mittlerweile eine Gebühr von 10 Silber erhoben wurde, um einen Ankerplatz zu bekommen. Henk entrichtete empört die Gebühr und teilten anschließend den Wachen mit, wer alles mit dem Schiff in die Stadt einreisen wollte. Als diese erfuhren, dass die Gesandte des Drachens an Bord war, tuschelten die Wachen kurz und erklärten schnell, dass sie der K‘eygha nun einen Platz zuweisen würden und die Helden dem kleinen Schiff folgen sollten. Die Gebühr wurde ihnen rasch zurückerstattet, da der Statthalter diese für seine Gäste bereits entrichtet hatte. Außerdem baten sie die Gesandte am Hafen kurz zu warten, da Prokonsul Vorax bereits einen Empfang für sie und ihre Gefährten vorbereitet habe, jedoch leider nicht darüber informiert war, wann diese genau eintreffen würden. Sein Stellvertreter Publius Rutilius würde umgehend informiert werden, um die Gesandten umgehend persönlich begrüßen zu können.
Centurio Publius Rutilius entpuppte sich als ein echter Thyrner und man konnte an seiner Kleidung erkennen, dass es sich bei diesen um einen älteren Mann aus dem Ritterstand handelt, ein geadelter Bürgerlicher, der den Eindruck eines knallharten und gefühlskalten Veteranen vermittelte. Er war in Begleitung eines mittelalten perlheimer Mannes namens Lucrann Sturmtrutzer, der seiner Uniform nach der Wachtmeister der Stadt und damit der Vorsteher der Wachen war. Der Centurio verhielt sich sehr militärisch und pragmatisch, zeigte aber Octavia und Iustus aus Pflichtbewusstsein gegenüber sehr viel Respekt. Er begrüßte sie ganz offiziell mit „Ave Draconis“ und stellte auch sich selbst und seinen Begleiter vor. Dann begrüßte er auch die Helden und hieß sie alle im Namen von Prokonsul Vorax willkommen. Der ehrenwerte Statthalter würde sie bald in seiner Residenz empfangen, aber da es nun bereits Nacht wäre, würde er sie erst morgen früh empfangen können. Fast wirkte es so, als ob Vorax versuchte so viel Zeit zu schinden, wie es möglich war.
Die Gesandte wurde mit all ihren Freunden in das luxuriöse Gasthaus „Perlenglanz“ eingeladen, wo Vorax ihnen bereist Zimmer und ein Essen hatte bereitstellen lassen. Die Kosten des Aufenthaltes würden selbstverständlich vom Prokonsul übernommen. Am nächsten Morgen würde er einen Boten schicken, der sie zu der Audienz abhole. Vorax ließ ausrichten, dass er sich bereits sehr freue, die Gesandte kennenzulernen und dass es ihm eine große Ehre sein wird, sie zu empfangen. Unten am Luftschiffhafen war bereits eine große und komfortable Kutsche bereitgestellt, welche die Helden zum Gasthaus brachte.
Gasthaus „Perlenglanz“
Im Gasthaus wurden alle freundlich begrüßt und der Gastwirt gab sich übertriebene Mühe, Octavia und die anderen angemessen zu bewirten. Er hatte anscheinend Angst etwas Falsches zu machen oder zu sagen, da er von Vorax‘ Stellvertreter den Auftrag bekommen hatte, die Gesandte gebührend zu bedienen. Er wahrte jedenfalls einen schönen Schein und alle können sich nach einem ausgiebigen Mal in ein Zimmer zurückziehen. Henk schlenderte noch etwas durch die Gassen des Hafenviertels, während sich die anderen müde niederlegten.
1. Nauloar 351 i.J.P.
Erste Eindrücke der Stadt
Am nächsten Morgen kam nach dem Frühstück ein Bote von Vorax, welcher Octavia und die Gruppe zu sich auf die Residenz einlud. Es wartete bereits eine Kutsche vor dem Gasthaus, welche alle zur Residenz fuhr. Auf der Kutschfahrt konnten sie einen ersten Eindruck von Perlheim und seinen Bewohnern bekommen. Die Stadt war zwar immer noch schick und man konnte erkennen, dass die Perlheimer sich alle Mühe gaben, ihre Stadt einladend und kunstvoll zu gestalten, jedoch war auch zu bemerken, dass überall kleine unerledigte Baustellen anzutreffen waren und dass manche Häuser mehr als renovierungsbedürftig aussahen. Auch in dem Viertel der Adeligen war einiges verändert und die imposanten Villen hatten auch schon bessere Zeiten gesehen. Die Stadt wirkte also insgesamt etwas heruntergekommen, auch wenn man sich anscheinend alle Mühe gabt, diesen Zustand zu verbergen.
Die Menschen auf den Straßen wirkten nicht unglücklich, aber teilweise sehr gestresst. Die Perlheimer gelten allgemein als fleißige Leute, aber zurzeit schienen alle auf Hochtouren zu arbeiten. Auf den Straßen herrschte Gedränge und hin und wieder hörte man genervte Rufe oder Streitereien. Anscheinend standen alle Einwohner unter großen Druck. Bei all dem Stress blieb alles aber erstaunlich geordnet und überall standen Stadtwachen, welche den Verkehr leiteten oder Bürger sofort ermahnten, falls sich Konflikte auf der Straße anbahnten. Die Stadtwachen wurden unterstützt durch thyrnische Hilfstruppen, welche aus dem ganzen Imperium stammten und durch ihre imperialen Uniformen auffielen. Sie arbeiteten anscheinend Seite an Seite mit den Stadtwachen.
Treffen mit dem Prokonsul
Auf dem Anwesen wurden Octavia und die anderen bereits von Prokonsul Marcus Vulturius Vorax erwartet, welcher am Tor zwischen den beiden Tempeln stand. Er hatte seinen Stellvertreter zur Seite und einen älteren Magus, der ebenfalls ein echter Thyrner war. Die beiden standen in gebührenden Abstand hinter ihm und noch weiter im Hintergrund standen zwei private Leibwächter, welche wie Berstmänner oder ziemlich starke Kämpfer aussahen. Es schienen auch alle Wachtürme des Anwesens besetzt zu sein und beim Wachhaus standen ebenfalls einige Männer herum. Sie alle trugen private Uniformen und schienen Söldner aus der Gegend zu sein. Einige von ihnen wirken sehr grob und ungehobelt und einen Kampf gegen sie könnte auch für die Helden schlecht ausgehen. Thyrnische Wachen waren außer dem Centurio keine auf dem Anwesen auszumachen.
Von der Seite kam ein sehr gut gekleideter Sklave hinzu, der sich vor Vorax stellte und ihn offiziell ankündigte und vorstellte. Er zählt auch die Namen seiner Ahnen auf und zelebrierte Vorax Auftritt regelrecht. Vorax kam nach der Vorstellung sofort auf Octavia zu, begrüßte sie nochmal persönlich und kniete sich tief vor ihr nieder. Er wartete ab, bis sie ihm ein Zeichen gab wieder aufzustehen, und erklärte dann, dass es ihm eine Ehre wäre sie kennenzulernen. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass seine Gegenklage gegen das Testament ihres Vaters sie nicht gegen ihn aufgebracht hätte und sie diesen juristischen Konflikt nicht persönlich nähme. Denn die Probleme mit dem Anwesen sollten sich nicht auf ihre Beziehung auswirken.
Für weitere Gespräche führte Vorax alle durch die ausgedehnten Parkanlagen und versicherte Octavia, dass er sich gut um ihr altes Zuhause gekümmert habe. Er hätte einen Vorschlag, den er mit ihr bei einem Wein besprechen möchte. Als die Gruppe an der Bibliothek vorbeischlendert, fiel auf, dass die Fenster verhangen waren. Auf Nachfrage berichtete Vorax von einem großen Wasserschaden, der bei dem letzten großen Sommersturm entstand. Die Arbeiter waren bereits daran, die Schäden zu beheben, aber vermutlich würden sich die Reparaturen noch etwas hinziehen. Vorax führte alle auf die große Terrasse, wo ein Tisch mit Wein und ein paar kleinen Delikatessen aufgetischt waren. Diener bewirteten die Helden und Vorax entschuldigte sich dafür, dass er sie nicht in dem Anwesen empfangen konnte, aber es würden gerade überall Renovierungen durchgeführt, weil die schweren Sommerstürme auch zu vielen kleinen Schäden am Haus geführt hätten. Durch die geöffneten Türen war zu erkennen, dass auch einige Arbeiter im Wohnhaus beschäftigt waren und die Marmorsäulen nachpolieren. Vorax war zu allen sehr zuvorkommend und lobte auch die großen Helden und ihre Abenteuer. Er hätte große Hoffnungen, dass Eboria vor dem Bund von Utukk'Xul gerettet werden könne, wenn es so tapferen Menschen gäbe wie Octavia und ihre Gefährten. Außerdem überlegte er, den Bund des Lichtes zu unterstützen, da er sich inzwischen auch schon fast als halber Barsaver fühlen würde und seiner neuen Heimat helfen möchte.
Als Octavia die Forschungsunterlagen ansprach, sicherte Vorax sofort seine Hilfe zu. Er erklärte, dass die Forschungsräume den Helden jeder Zeit offen ständen, auch wenn er ihnen leider keine Zimmer für die Nacht anbieten könnte, da er zur Zeit Gäste aus Veltima beherbergen würde und in den kommenden Tagen wegen den Verhandlungen in Valkenburg und dem anstehenden Austritt Perlheims aus dem Imperium viele Sitzungen und Verhandlungen mit dem Rat der Edelsten von Perlheim anstehen würden. Diese wurden noch in der Residenz durchgeführt, weshalb er sich entschuldigte, dass er Octavia nicht in ihrem alten Zuhause beherbergen könnte. Er wollte sein Recht, das Anwesen noch solange zu bewohnen, bis die Verhandlungen abgeschlossen waren, in Anspruch nehmen, da sich diese Verhandlungen nicht verschieben ließen. Er bot aber an, dass Iustus bereits auf dem Anwesen bleiben und sich mit seinem Magus über die Unterlagen austauschen könnte, wenn er wollte. Iustus stimmte sofort zu und der Vorax‘ Magus Manius Pedanius nahm ihn gleich zur Seite. Die beiden Magier fingen sofort an zu fachsimpeln und Iustus erklärte nach dem Gespräch, dass er bleiben und bereits mit der Arbeit beginnen möchte. Vorax führte alle sofort durch die Forschungsräume. Dort waren unendlich viele Stapel von Unterlagen in Kisten und Regalen gestapelt und Iustus erklärte, dass er dies alles durchsehen müsste, ihm aber niemand dabei helfen könnte. Vorax versichert noch, dass er das Anwesen sofort verlassen würde, wenn die Gerichte in Thyrna entschieden, dass es Octavia zugesprochen wird.
Vorax führt alle zurück auf die Terrasse, doch Henk und Adarian wollten sich nicht mit setzen, sondern etwas über das Gelände schlendern. Am Tisch hatte Vorax noch einen Vorschlag, welcher für alle zu einer zufriedenstellenden Lösung führen könnte. Er könnte gut verstehen, dass Octavia ihr Elternhaus zurückverlangte, aber auch sie müsste bedenken, dass auch er inzwischen eine Bindung zu dem Anwesen und Perlheim entwickelt hätte. Er hätte Perlheim in den letzten Jahren immer wieder geholfen und die Stadt wäre für die Bürger viel sicherer geworden. Es gäbe kaum noch Kriminalität und der Schmuggel an den Küsten wäre nahezu lahmgelegt. Voller Fürsorge hätte er sich um die Bürger gekümmert und gesorgt. Deshalb wollte er seine Schützlinge nicht völlig im Stich lassen, sondern hoffte, dass er sie weiterhin als Botschafter unterstützen könnte, wenn Perlheim seinen Austritt aus dem Imperium vollzöge.
Damit nun alle glücklich aus diesem Konflikt herausgingen, hatte er nun die einzige mögliche Lösung gefunden und machte Octavia vor Augustus und Kenji einen Heiratsantrag. Er pries die Macht und den Einfluss seiner Familie an und erklärte ihr, dass sie damit keine Pflichten eingehen und er ihre Heldentaten bedingungslos unterstützen würde. Da sie sowieso mit ihren Freuden die Welt rettete und immer unterwegs war, würde er sich um das Anwesen kümmern und könnte seine Arbeit in Perlheim fortsetzen. Er würde von ihr nichts verlangen, was sie nicht auch wolle, und würde voll und ganz hinter ihrem Kampf stehen und sie und ihre Freunde unterstützen, wo es möglich wäre.
Vorax ließ Octavia natürlich Bedenkzeit, musste aber nun die Helden leider wieder verabschieden, da er bald ein wichtiges Treffen mit einigen Ratsmitgliedern habe. Er versicherte, dass er einen Boten ins Gasthaus schicken würde, sobald Iustus Neuigkeiten hatte, und hoffte, dass Octavia sich sein Angebot gut überlegte. Dann verabschiedet er alle am Tor und die Kutsche brachte sie zurück ins Gasthaus. Da Octavia auf der Rückfahrt in der Kutsche scheinbar tatsächlich ganz pragmatisch überlegte, auf den Heiratsantrag einzugehen, entbrannte eine lebhafte Diskussion zwischen den Freunden.
Begegnung mit Talina Westwind
Vor dem Gasthaus wartete bereits eine Frau auf die zurückkehrenden Helden. Sie trug schlichte Kleidung und eine große Tasche über der Schulter. Auf dem Kopf trug sie eine Kapuze und einen bronzenen Anhänger mit einer Kuh um den Hals. Als sie Kenji sah, ging sie vorsichtig und etwas schüchtern zu ihm hin und fragte, ob er sich noch an sie erinnerte. Als er dies bejaht, blickte sie ihn freudig an und wartete anscheinend etwas unsicher ab, ob Kenji ihre Wiedersehensfreude teilen würde. Als auch er freudig lächelte, nahm sie ihn ungeachtet der Etikette in den Arm und offenbarte ihm, dass sie nie gedacht hätte, dass sie ihn jemals wiedersehen würde und sie froh wäre, dass die Schutzgötter seinen Weg zurück nach Hause geführt hätten. Allen fiel auf, dass diese Frau anscheinend jemand war, der Kenji sehr, sehr nahesteht oder stand, und Kenji bemerkte sofort, dass sie keine Robe mehr trug und anscheinend zivil unterwegs war. Sie trug aber immer noch ihre große Heiltasche mit Tränken und Erste Hilfe Utensilien bei sich. Nach der herzlichen Begrüßung stellte Kenji sie seinen Freunden als Hyleaquestorin Talina Westwind vor.
Talina begrüßte höflichst die anderen, auch wenn sie durch die Thyrner etwas eingeschüchtert wirkte und besonders Augustus etwas kritisch anblickte, da sie anscheinend wusste, wer er ist. Talina erklärte dann, dass sie noch etwas zu erledigen habe, aber Kenji und seine Gefährten später gern treffen möchte, da sie dringend mit ihnen allen sprechen müsste. Die Schutzgötter hätten die Helden zur rechten Zeit geschickt und sie müssten sich irgendwo treffen, wo sie ungestört reden könnten. Es gäbe Probleme in der Stadt von denen die Helden unbedingt wissen müssten. Am besten kämen alle am späten Nachmittag in die Perlenschleiferei ihrer Eltern am Hafen, Kenji sollte wissen, wo sich diese befindet.
Kenji fragte Talina noch, ob in Perlheim auch bereits Aktivitäten der dunklen Bruderschaft entdeckt worden wären, weil sie ansonsten in fast jeder freien Stadt ein großes Ritual durchgeführt hätten. Talina erinnerte sich daran, dass die Stadtwachen vor einiger Zeit in einer Höhle eines unweiten Strandes seltsame Aktivitäten beobachtet und sogar eine Kulthandlung unterbrochen hatten. Ein Fischer hatte das Blutritual vom Strand aus beobachtet und die Wachen eingeschaltet. Leider wäre nur ein einziger Kultist gefasst worden, welcher aber bereits in derselben Nacht wieder befreit wurde. Daher konnte nie wirklich geklärt werden, was die Kultisten dort geplant hatten.
Die Kapelle
Am frühen Nachmittag suchte Kenji mit seinen Freunden die alte Kapelle seines Lehrmeisters auf. Dort war alles verwildert und zugewachsen und die Kapelle war mit Brettern verbarrikadiert. Während Adarian die Vordertür von den angenagelten Brettern befreite, was ohne Werkzeug nur mittels seiner Kraft und seines Schwertes zu bewerkstelligen war, bemerkte Henk an der Seite der Kapelle, dass dort ein Teil der Barrikade eine geschickte, getarnte Tür war, welche in den Keller der Kapelle führte. Unten fand er große Ladungen von Alkohol in großen Fässern. Kenji suchte das Grab von Pyrrhon und fand es verwildert vor. Der Grabstein wurde geklaut und Kenji fand, dass er für Pyrrhon erst einen neuen Grabstein anfertigen und den Ort eventuell durch einen Boronspriester neu weihen lassen sollte, bevor er die Greifen Statuette von Archorbar auf das Grab legen sollte. Nachdem Adarian den Eingang geöffnet hatte, sah sich Kenji in der nicht verwüsteten Kapelle um und verlor sich in Erinnerungen.
Treffen mit den Widerständlern
Am späten Nachmittag öffnete Talina die Tür, nachdem die Helden an der Perlenschleiferei klopften. Sie begrüßte alle und ließ auch Augustus in das Haus ihrer Eltern, obwohl sie etwas unzufrieden dabei wirkte. Sie führte alle durch die Werkstatt hindurch, wo überall wunderschönes Kunsthandwerk aus Perlmutt und Perlen lag wie Schmuck, Knöpfe, Zierelemente für Möbel oder andere Dekorationsgegenstände. Die Arbeiter hatten anscheinend schon frei, denn die Werkstatt war leer. Talina führte schließlich alle in den Keller, in dem sich eine Art kleines Hospital befand. Hinter aufgehängten Laken konnte man das Schnarchen von mindestens drei Menschen hören und auf einem großen Tisch stapelten sich Heiltränke und medizinische Utensilien. Talina führte alle in einen kleinen Nebenraum, wo bereits ein mittelalter Mann in einer schlichten und ebenfalls zivil wirkenden Robe auf sie wartete. Er trug eine Kette mit einem goldenem Greif um den Hals und hatte ein Kurzschwert neben sich auf dem Tisch liegen.
Als Augustus den Raum betrat, ignorierte der unbekannte Mann alle Anwesenden sprang plötzlich mit seinem Schwert auf, welches er auf Augustus richtete. Er sagt wütend zu Talina, dass sie es ihm hätte sagen sollen, wenn sie den Mann einlädt, der die Stadt ins Unglück gestürzt hat. Er griff Augustus zwar nicht an, hielt aber anklagend seine Schwerspitze auf dessen Kopf gerichtet. Augustus hätte das Erbe seines Vaters beschmutzt, indem er Vorax die Stadt vorgeworfen hätte und dann nichts unternommen habe, als sein Onkel Silvius Insidiae dafür sorgte, dass sechs unschuldige Ratsmitglieder in Perlheim hingerichtet wurden. An seinem Temperament erkannte Kenji jetzt den Alethonquestor Jast Heidiger wieder. Talina versuchte den Mann zu beruhigen und redete auf Jast ein. Sie erinnerte ihn daran, dass die Schutzgötter bestimmt ihren Grund dafür haben, warum sie den Sohn des Aequus zurück in seine Heimat sandten. Jast ließ sich nur schwer beruhigen und fügte noch an, dass es ihn nicht mal wundern würde, wenn Augustus an dem Massaker von Lüderitz beteiligt und den furchtbaren Principus Mortis unterstützt hätte. Jast gab erst Ruhe geben, nachdem die Helden ihm versicherten, dass Augustus damals nichts für all die Vorfälle konnte. Dann beruhigte er sich und setzte sich wieder. Er behielt Augustus jedoch kritisch im Auge und drückte auch immerwährend seine Abneigung gegen ihn in seinen Blicken aus.
Nachdem sich alle wieder beruhigt hatten, erklärte Talina, dass sie froh war, dass nun Helden in der Stadt waren, da sie das Gefühl hatte, dass etwas Gotteslästerliches in der Stadt vor sich ging. Sie glaubte, dass der Rat unter einer Art magischem Einfluss stand und dass dieser schon eine ganze Zeit ihr Handeln bestimmte. Sie vermutete, dass die restlichen Mitglieder vom Rat der Edelsten sich Vorax und seinen Einflüsterungen schnell unterwarfen, nachdem Vorax sein Amt als Botschafter vor über einem Jahr angetreten hatte. Perlheim fühlte sich Thyrna gegenüber immer noch in der Schuld, nachdem sechs ihrer Mitglieder als Verschwörer und Auftraggeber der Attentate auf die alten Botschafter hingerichtet wurden. Bei diesen Worten blickte sie etwas vorwurfsvoll zu Augustus und meinte, dass er mit Sicherheit mehr darüber wissen müsste, immerhin hatte er die Ermittlungen damals gemeinsam mit Silvius Insidiae geleitet. Auf jeden Fall wären die verbliebenen Ratsmitglieder schnell zu Marionetten von Vorax geworden, da sie versucht hatten, Thyrna davon zu überzeugen, dass sie nicht alle Verräter waren. Vorax nutzte diesen Umstand aus, indem er ihnen eine Menge neue Ideen für die Herrschaft Perlheims einimpfte, weshalb auch eine neue Gesetzgebung eingeführt wurde und die Alethonquestoren ihre alten Privilegien verloren. Es gab noch weitere Reformen, welche schließlich alle zu einem Bruch mit dem Bund von Throal führten, der Talinas Meinung nach reines Kalkül von Vorax war, um die Stadt für das Imperium zu gewinnen und sich als Statthalter aufzuschwingen.
Auch die Schwestern der Hylea wurden von Vorax finanziell unter Druck gesetzt und waren gezwungen, eine Gebühr für ihre Heilungen und ihren Beistand zu verlangen. Talina erklärte, dass dies der Grund war, warum sie auch nicht mehr im Tempeldienst steht. Seitdem also Perlheim durch den Bruch mit Throal für das Imperium gewonnen und Vorax sein Amt als Prokonsul antrat, wurde schnell klar, dass er nicht wie versprochen vorhatte, die Stadt zu neuem Glanz zu führten, sondern dass er begann sie gnadenlos durch Steuern zu schröpfen. Wer nicht zahlen wollte oder konnte, wurde von den Stadtwachen, welche für die Steuereintreibung zuständig waren, oft vor den Augen ihrer Familien zusammengeschlagen. Talina hatte selbst einige Opfer behandelt und gesehen, wie skrupellos die Wachen vorgingen. Nachdem der Rat der Edelsten realisiert hatte, in welch ausbeuterische Hände ihre Stadt nun gelangt war, versuchten einige sich mit Vorax auseinanderzusetzen und die Steuerproblematik zu beheben. Dazu gab es lange Verhandlungen in der Residenz von Vorax, welche jedoch bereits Monate liefen und nichts sich an der Situation änderte. Die Ratsmitglieder vertrösteten die Bürger immer wieder, dass sie Vorax dazu bringen würden, die unmöglichen Steuern zu senken, doch glaubte ihnen inzwischen kaum noch jemand. Aus Angst vor den Stadtwachen und ihren neuen Methoden sich Respekt zu verschaffen, schwiegen die Leute lieber und arbeiteten wie verrückt, um das Geld für die Steuern zu verdienen.
Die Lethargie des Rates von Perlheim und ihre Gleichgültigkeit hatte Talinas Meinung nach jedoch noch einen anderen Grund, als nur die Angst vor Vorax oder Thyrna. Sie glaubte, dass die Politiker unter irgendeiner Art von Zauber standen, da ihre Frauen von seltsamen Dingen berichteten. Talina hat sehr viele Freundinnen unter den adeligen Perlheimerinnen und kennt fast alle Frauen der Ratsmitglieder sehr gut, da sie ihnen als Hebammen oder bei anderen Problemen zur Seite gestanden hat. Sie berichtete, dass in den letzten Monaten sich fast alle Frauen darüber beschwerten, dass sich ihre Männer auf seltsame Art und Weise veränderten. Seitdem die Verhandlungen um die Steuerproblematik anfingen und die Ratsmitglieder zu den Sitzungen auf die Residenz von Vorax eingeladen wurden, beschwerten sich plötzlich alle Ehefrauen darüber, dass ihre Männer geistig abwesend seien und ausgelaugt und gleichgültig wirkten. Sie schoben es zuerst auf die viele Arbeit und die anstrengenden Verhandlungen, da diese immer länger wurden und die Ratsmitglieder plötzlich ihre gesamte Zeit auf dem Anwesen verbrachten. Sie kamen nur noch selten zu ihren Frauen nach Hause und wenn sie dort waren, ignorierten sie ihre Familien und konnten es kaum abwarten, wieder zu Vorax zurück zu kehren. Einige von ihnen standen auch geistig manchmal völlig neben sich und faselten seltsames und unzusammenhängendes Geschwätz, als wären sie in einem Wachtraum gefangen. Ein Ratsmitglied hatte seine junge und hochschwangere Frau sogar völlig grundlos vor die Tür gesetzt und behauptete, dass er für sie keinen Platz mehr in seinem Leben habe. All dies könnte Talinas Meinung nach auf eine magische Beeinflussung hindeuten, welche die Helden berücksichtigen sollten. Zumindest sollten sie gewarnt sein, dass sich auf dem Anwesen eventuell finstere Machenschaften abspielen oder das sogar der Bund von Utukk‘Xul seine Finger im Spiel hat.
Jast erwähnte daraufhin noch einen anderen Hinweis, dass sich auf dem Anwesen etwas Dämonisches abspielt. Er riet den Helden sich doch einmal mit der Prostituierten Amadis zu unterhalten. Sie arbeitet in dem Bordell „Zum Meerweib“ unten am Hafen und hatte wohl etwas sehr Beunruhigendes auf den Anwesen beobachtet. Sie hätte vielleicht etwas zu erzählen, was für die Helden wichtig sein könnte. Nachdem die wichtigen Dinge geklärt waren, verabschiedete sich Jast und wandte sich noch einmal an Augustus. Er würde ihn im Auge behalten und Augustus sollte sich darüber bewusst sein, dass er der Gerechtigkeit Alethons niemals entgehen kann. Augustus nickte ihm bestätigend zu. Talina entschuldigte sich, dass sie die Helden nun leider verabschieden musste, da sie sich um ihre Patienten kümmern müsse. Dann bat sie Kenji noch zu bleiben, da sie kurz mit ihm persönlich reden möchte.
Talinas Gespräch mit Kenji
Als Talina mit Kenji allein war, erzählte sie ihm, wie leid es ihr täte, dass sich ihre Wege damals auf so unschöne Art und Weise getrennt haben. Sie druckste etwas herum, da ihr dieses Gespräch offensichtlich sehr unangenehm war. Sie gestand ihm, dass ihr ihre Freundschaft immer sehr wichtig gewesen war und sie die langen Gespräche mit ihm bis heute vermissen würde. Sie bereute es, dass nur eine einzige unüberlegte Nacht diese gute Beziehung zerstören konnte. Sie wollte deshalb wissen, ob Kenji es ihr vergeben kann, dass sie mit ihrer Entscheidung, ihn damals abzuweisen, ihre Freundschaft zerstört hat, welche ihr zumindest sehr viel bedeutet habe. Sie entschuldigte sich dafür, dass sie ihn im Stich ließ, obwohl er gerade erst seinen Lehrmeister Pyrrhon verloren hatte, und er schließlich allein zu seiner gefährlichen Reise aufbrechen musste, auf welcher sie ihm gern begleitet und geholfen hätte. Talina fragte Kenji, ob er ihr wegen damals noch Vorwürfe macht, oder ob er ihr vergeben kann. Es würde sie nämlich freuen, wenn sie Kenji wieder als einen Freund und Vertrauten betrachten könnte. Außerdem habe sie ihn sehr vermisst und würde sich freuen, wenn sie in Kontakt bleiben könnten. Talina war sehr erleichtert, als Kenji dies verneinte.
Sie machte keine romantischen Andeutungen dabei und betonte, dass sie Kenji nur als Freund zurückgewinnen wollte. Kenji ahnte, dass dies nicht unbedingt die Wahrheit war, aber wahrscheinlich redete sie sich dies selbst auch ein und glaubte vielleicht sogar daran, aber Kenji konnte erkennen, dass sich hinter ihren Augen noch mehr Gefühl für ihn verbarg, als sie es zugab. Vermutlich war sie sich dessen gar nicht bewusst und Kenji wusste dadurch vielleicht mehr über sie, als sie es selbst tat.
Schließlich meldet sich einer ihrer Patienten und sie musste nach ihm sehen. Talina verabschiedete Kenji an der Tür und lud ihn ein, sie jeder Zeit hier zu besuchen. Sie würde sich sehr darüber freuen. Eventuell könnten sie etwas über alte Zeiten reden oder er ihr von seinen Heldentaten erzählen. Kenji bemerkte, dass sie ihm einen ziemlich schmachtenden Blick hinterherwarf, als er ging, und sie immer noch in ihn verliebt sein könnte.
Im Bordell
Als die Helden beim Bordell „Zum Meerweib“ ankamen, wollte Augustus nach der Reaktion von Jast lieber draußen warten. Kenji leistete ihm dabei Gesellschaft und sie tauschten sie über Augustus Vergangenheitsbewältigung und Kenjis Beziehungen aus. Octavia, Henk und Adarian betraten das Bordell, wo sie zunächst von einer dicken Bardame empfangen wurden, welche anscheinend aus dem Norden, vielleicht von der Berstküste stammte und einen überdimensional großen Vorbau besaß. Sie hatte eine kratzige Stimme, stellte sich als Solva vor und wollte wissen, womit sie den Herrschaften und der Dame etwas Gutes tun könnte. Als diese nach der Hure Amadis fragten, erklärte Solva, sie würde gerade noch einen Kunden bedienen, und lud alle ein kurz in dem Bordell zu warten. Die Männer wurden in der Zwischenzeit von Nutten umgarnt und Octavia erntete von ihnen giftige Blicke oder wurde angefaucht, sie hätte hier nichts zu suchen und sollte ihnen nicht das Geschäft kaputt machen.
Dann kam eine Prostituierte verschwitzt mit einem dicken und angetrunkenen Matrosen von ihrem Zimmer und dieser bedankte sich bei ihr, indem er ihr nochmal mit der Hand auf ihren vollen Hintern klatscht, und verließ dann zufrieden das Bordell. Solva, die dicke Bardame, rief ihr mit kratziger Stimme gleich zu, dass dort jemand etwas von ihr wollte und deutete auf die Helden. Amadis ging daraufhin zu ihnen und erklärte sofort, dass sie keine Gruppen bediente und es immer nur mit einen nach dem anderen machen würde. Als sie erfuhr, dass die Helden von Jast kommen, winkte sie sie in ihr Zimmer durch und war bereits mit ihnen zu reden.
Amadis erzählte, dass eines Tages der thyrnische Centurio in das Bordell kam und ein Mädchen für den Prokonsul aussuchte, welche für eine Nacht mit auf das Anwesen kommen sollte. Dieses wäre schon mehrere Monate her und es war eine der schlimmsten Nächte in ihren Leben. Der Centurio sah sich alle Mädchen an und wählte sie schließlich aus. Auf dem Anwesen wurde sie zwar höflich empfangen, aber im Laufe des Abends verlangte Vorax von ihr immer bizarrere und zutiefst demütigende Dinge, über die sie im Detail nicht reden möchte. Ihr wurde zwar keine Gewalt angetan, aber Vorax steht anscheinend auf psychische Machtspielchen und Demütigungen. Dies wäre jedoch noch nicht das Schlimmste gewesen. Amadis beschrieb, dass während sie Vorax zu Diensten sein musste, sie das Gefühl gehabt hätte, dass eine weitere Person in dem Raum war. Sie konnte nichts sehen, da Vorax ihr die Augen verbunden hatte, aber sie hörte das Stöhnen einer unmenschlich klingenden Stimme, welche sich zischend wie von einer Schlange anhörte. Während sich Vorax an ihr vergnügte, merkte sie auch, dass sie sich plötzlich sehr schwach fühlte, als ob ihr jemand die Lebenskraft stehlen würde. Sie schob diesen Zustand auf den Wein, welchen sie auf Vorax Befehl hin in Massen trinken musste. Dann verrutschte aber plötzlich ihre Augenbinde und sie sah hinter Vorax kurz ein seltsames Gesicht, dass leuchtend rot war und schwarze Augen besaß, die wie tiefe Löcher wirkten. Das Gesicht besaß keine menschlichen Proportionen und schien nicht von dieser Welt zu sein. Ihr entwich sofort ein Angstschrei, da dieses Wesen furchteinflößend und bösartig wirkte. Daraufhin verschwand es jedoch und niemand war mehr mit ihr im Raum außer Vorax. Dieser begann daraufhin Amadis anzuschreien, da sie sich nicht auf ihre Arbeit konzentrieren würde und nicht das getan hätte, was er von ihr wollte. Vorax fuhr sie an, dass sonst niemand im Raum wäre und sie die Augenbinde ohne seine Erlaubnis abgenommen hätte. Dann packte er sie und schmiss sie ohne Bezahlung aus dem Anwesen. Er erklärte, dass er sich nie wieder eine Nutte aus Perlheim bringen ließe und lieber auf neue Ware aus den Provinzen warten würde. Seitdem hatte Vorax die Dienste des Bordells nicht mehr in Anspruch genommen. Amadis betone, dass sie nie wieder dieses Anwesen betreten würde, und sie glaubte fest, dass Vorax ein Dämonenbeschwörer war. Sie würde ihm nicht über den Weg trauen und riet den Helden, ihn am besten sofort umzubringen, bevor er zu einer größeren Gefahr würde.
Nachdem die Helden mit Amadis geredet hatten und diese sie zum Ausgang begleitete, kam der Lude des Meerweibs plötzlich dazu und pflaumt sie an, dass sie nun endlich weiterarbeiten müsse und ihre Pause nun vorbei sei. Henk konnte an seiner Phexkette sehen, dass der Mann ein Gildenmitglied war, und gab sich mit Handschlag zu erkennen. Nach einem Gespräch mit Radbod Wagener bekam Henk den Hinweis, unten am Hafen den Seebär Schwarzbart zu finden und ihn bei Gelegenheit im hiesigen Gildenquartier zu besuchen. Während alle anderen nun ins Gasthaus zurückkehrten, machten sich Adarian und Henk auf, am Hafen nach dem Kontaktmann der Gilde zu suchen.
Fortsetzung: Episode 20-06: Das Geheimnis des Prokonsuls